De jure & de facto Macht in Politik & Leben
In der Politikwissenschaft gibt es eine Theorie, die politische Macht in de jure Macht und de facto Macht unterteilt. De jure Macht ist die Macht, die eine Gruppe oder ein Individuum im politischen System hat. De jure Macht ist also beispielsweise das Wahlrecht der Bürger in einer Demokratie oder das unbeschränkte Recht des Diktators in einer Diktatur.
De facto macht ist die Macht außerhalb des politischen Systems und der politischen Institutionen. De facto Macht haben beispielsweise die Bürger bei einer Revolution oder das Militär bei einem Militärputsch.
De facto Macht ist meist nur vorübergehend vorhanden, da die richtigen Faktoren zusammenspielen müssen, damit sich, um beim Beispiel der Revolution zu bleiben, eine große Anzahl an Bürgern mehr oder weniger spontan zusammenfindet und gegen die Herrscher protestiert.
Entsprechend sind Revolutionäre auch immer daran interessiert ihre Herrschaft zu festigen, also das politische System zu ändern. Die Revolutionäre wollen also ihre momentane de facto Macht in langfristige de jure Macht umwandeln.
Denn natürlich können die bestehenden Herrscher Zugeständnisse machen oder versprechen, Maßnahmen zu setzen, die im Sinne der Revolutionäre sind. Sobald die Revolutionäre ihre de facto Macht aber verlieren, werden die Herrscher diese Zugeständnisse in der Regel sehr schnell wieder vergessen. Aus diesem Grund macht es für Revolutionäre Sinn, eine Änderung der politischen Institutionen zu verlangen und so ihre aktuelle de facto Macht in langfristige de jure Macht umzuwandeln.
Prinzipien – die politischen Institutionen des Lebens
Man kann dieses Konzept auch auf die private Entscheidungsebene übertragen. In mehreren Artikeln [1, 2] habe ich bereits die Macht von Prinzipien behandelt, die es erlauben, bessere und rationalere Entscheidungen zu treffen. Im Grunde funktionieren Prinzipien nämlich genau wie politische Institutionen.
In Situationen der Ruhe, der Rationalität, der Besonnenheit trifft man in der Regel sehr gute Entscheidungen. Doch genau wie die de facto Macht im politischen Raum, ist diese besonnene Entscheidungsmacht meist nur sehr vorübergehender Natur und löst sich auf, sobald man es mit dem Ernstfall zu tun bekommt.
Prinzipien erlauben es, in diesen raren und kurzen Momenten der Besonnenheit allgemeine Entscheidungsgrundlagen festzulegen, auf die man in den Ernstsituationen ganz einfach zurückgreifen kann. In der Entscheidungssituation selbst, muss man also gar keine Entscheidung mehr treffen, sondern man hat diese Entscheidung schon im Vorhinein am Schreibtisch in voller Ruhe und Rationalität getroffen und muss das Programm jetzt nur mehr ablaufen lassen.
So fungieren Prinzipien also wie politische Institutionen. Sie erlauben, die momentane rationale Entscheidungsfähigkeit zu festigen, sodass man von dieser Fähigkeit auch in den stressigen Momenten profitieren kann, in denen man sie eigentlich nicht mehr hat.
Zum Weiterlesen:
Acemoglu, Daron u.a.: Economic origins of dictatorship and democracy. New York: 2012.
Dalio, Ray: Principles. New York: 2017.