noah leidinger

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Genetische Gruppendynamik - Fische

Der Anblick eines Vogelschwarms ist immer wieder beeindruckend. Hunderte Vögel erreichen eine perfekte Koordination und das auf Basis erstaunlich simpler Verhaltensheuristiken. Dasselbe Phänomen lässt sich bei Fischschwärmen beobachten – auch sie erzeugen mit einfachen Regeln ein hohes Maß an Koordination.

Doch nicht nur die Regeln selbst spielen eine Rolle – auch die Genetik beeinflusst die Interaktion der Tiere.

Die Relevanz davon liegt auf der Hand: Schwärme sind im Grunde nichts anderes als eine Form sozialer Interaktion. Auf welche Weise die Genetik das Zusammenleben von Fischen und Vögeln beeinflusst, kann den ein oder anderen Hinweis auf die soziale Interaktion von uns Menschen liefern.

Genau solche Hinweise suchten auch Wenlong Tang und Kollegen in ihrem kürzlich erschienenen Paper „Genetic control of collective behavior in Zebrafish“.

Mit Hilfe der CRISPR/Cas-Methode haben sie im Erbmaterial der Embryonen von Zebrabärblingen verschiedene Mutationen hervorgerufen. Insgesamt haben die Wissenschaftler 90 Gruppen an Fischen kreiert, die jeweils an einem spezifischen Gen verändert wurden. Das Besondere: Man fokussierte sich auf jene Gene, die bei uns Menschen mit psychischen Krankheiten verbunden sind.[i]

Tatsächlich wirkten sich die Mutationen teilweise recht dramatisch auf das Verhalten der Fische aus.

Zwei spezifische Mutationen führten zu einem hohen Maß an Verstreuung unter den Fischen. Diese Tiere haben die Fähigkeit verloren, sich auf Nachbarn in weiterer Ferne anzupassen und waren außerdem sehr inkonsistent in ihrem Verhalten – haben also manchmal auf das Verhalten von benachbarten Fischen reagiert und manchmal nicht.

Ganz im Gegensatz zu dieser Verstreuungsmutation führte die Mutation von einem anderen Gen zu einem besonders hohen Maß an Koordinierung. Fische mit dieser Veränderung im Erbgut fokussierten sich sehr stark auf Nachbarn in weiterer Entfernung und hatten ein sehr konsistentes Verhalten. Diese Fische waren sogar weitaus koordinierter als der Wildtyp.

Zwei andere Mutationen führten ebenfalls zu einem höheren Maß an sozialem Zusammenhalt – allerdings war der Zusammenhalt so stark, dass die Koordination dadurch gestört wurde. Diese Fische waren dicht beisammen, bewegten sich allerdings wild durcheinander, ohne eine gemeinsame Richtung einzuschlagen.

Zum Weiterlesen und Weiterschauen:

https://www.cell.com/iscience/pdf/S2589-0042(20)30126-7.pdf

https://eater.net/boids

https://www.youtube.com/watch?v=4LWmRuB-uNU

[i] Man muss hier natürlich sehr vorsichtig sein: Nur weil Gene mit psychischen Krankheiten korrelieren besteht noch kein direkter Kausalzusammenhang. Auch kann man natürlich nicht von Fischgenen auf die psychische Verfassung von Menschen schließen. Dennoch gibt es evolutionär gesehen durchaus relevante Verbindungen und einige wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf einen Zusammenhang zwischen dem „sozialen Gehirn“ von Menschen und Fischen hindeuten.