Trump mit dem Iran – Kanalisierung von Gewalt und Berechenbarkeit
Am ersten Freitag des neuen Jahres, dem 3. Januar 2020, ermordete eine US-amerikanische MQ-9 Reaper Drohne den israelischen Kommandanten Qassim Suleimani. Gestern, am 6. Januar, veröffentlichte die New York Times einen Artikel von Max Fisher. „What is Trump’s Iran Strategy? Few seem to know“, lautet der Titel.
Genau in diesem Titel steckt die große Gefahr, welche Trump in diesen Konflikt bringt. Seine Unberechenbarkeit bricht mit allen Konventionen. Nur bedenkt er nicht, oder ihm ist es einfach egal, dass das Brechen von Konventionen bei weltpolitischen Angelegenheiten ganz andere Konsequenzen hat, als er das aus seinen geschäftlichen Verhandlungen gewohnt ist.
Die Brille durch die dieser kurze Artikel diese Gefahr betrachten will, ist die historische Brille der Gewalt.
Ein essentieller Part von Macht und Gewalt ist Rache.
Angefangen hat die Menschheit evolutionär bei der Blutrache. Verwandtschaftsgruppen in Form von Stämmen sicherten Macht und Gemeinschaft durch absolute Blutrache. Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Diese Rache kanalisierte man im religiösen Kontext. Indem man Sie auf eine göttliche Ebene hob, wurde die Macht begrenzt. Es reichte, den Göttern ein Opfer zu geben. Die Absolutheit der Gewalt, die Absolutheit der Rache also, konnte durch die Absolutheit der Götter ersetzt werden.
In der politischen Gesellschaft wurde die Rache schließlich in ein Rechtssystem kanalisiert. Damit wurde die Rache vollkommen berechenbar, in Worten festgehalten. Worte gewannen an Macht, die absolute Gewalt verlor weiter an Relevanz.
Diese Reduktion der Gewalt ging also mit einer Kanalisierung von ihr einher. Man setzte der Gewalt, in diesem Fall insbesondere der Rache, immer festere Grenzen. Man ersetzte die reine Gewalt durch andere Systeme, die Gewalt vermehrt symbolisch nutzten.[i]
Beide Kanalisierungsschritte, der der Religion aber vor allem auch der der Politik, haben die Gemeinsamkeit, die Berechenbarkeit der Rache stark zu erhöhen. Diese Berechenbarkeit schafft einen Rahmen, in welchem sich die Gewalt bewegen kann. Gibt es diesen Rahmen nicht, muss die Gewalt absolut werden, sie muss das Vakuum das ihr gegeben wird immer ausfüllen.
Trump zerstört diese Kanalisierung mit seinem Verhalten zunehmend. Je unberechenbarer er wird, desto mehr müssen sich der Iran und seine möglichen Verbündeten auch für Räume der Gewalt rüsten, die durch Konventionen in den letzten Jahren eigentlich abgeschlossen wurden.
Seine Strategie mag Trump sogar zu Gute kommen. Es mag sein, dass sein Brechen der Konventionen erfolgreich ist. Man sollte aber nicht vergessen, dass er einen Raum an Möglichkeiten öffnet, deren potentielle Folgen so negativ sind, dass sie jeden Erfolg des US-Präsidenten mit diesen Strategien irrelevant machen.
Zum Weiterlesen:
https://www.nytimes.com/2020/01/06/world/middleeast/trump-iran-soleimani-strategy.html
Metz, Karl: Geschichte der Gewalt. Darmstadt: 2010.
[i] Das bezieht sich natürlich vor allem auf die Zustände innerhalb der Polis, innerhalb des Staates, innerhalb der politischen Gemeinschaft. Krieg hat ganz andere Dynamiken von Gewalt.