noah leidinger

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Hirntraining – eine Fiktion

Das Internet ist voll von Apps für Hirn- und Gedächtnistraining – mit weltweit fast 70 Millionen Nutzern derartiger Programme handelt es sich mittlerweile um einen Milliardenmarkt. Das Ziel des Ganzen ist offensichtlich: Spielerisch, soll man die eigene kognitive Kapazität erhöhen.

Das Problem: die Studienlage zu dieser Thematik ist mehr als mangelhaft. Manche Studien lieferten zwar positive Ergebnisse, die sich in Folgestudien aber meist nicht replizieren ließen.

Die Lösung: Eine groß angelegte Studie, die die Langzeiteffekte diverser Trainingsprogramme auf die kognitiven Fähigkeiten der Trainierenden untersucht.

Und genau so eine Studie führten einige US-amerikanische Wissenschaftler im Zuge eines kürzlich erschienenen Papers durch.[i]

Im Zuge der Studie wurde die kognitive Kapazität von 8,563 Teilnehmern ausgewertet, von denen 1,009 aktive Nutzer von diversen Hirntrainingsprogrammen waren.[ii]

Die Ergebnisse waren mehr als ernüchternd. Zuerst einmal gab es keine Korrelation zwischen der Nutzung derartiger Programme und der Leistungsfähigkeit des eigenen Gehirns. Sowohl Trainierende als auch Nicht-Trainierende performten also im Schnitt auf dem gleichen Level.

Vielleicht wirkt sich Hirntraining erst nach einiger Zeit positiv auf die Trainierenden aus?

Auch diese These testeten die Wissenschaftler. Doch selbst die 159 Teilnehmer, welche bereits für mindestens 18 Monate derartige Programme benutzten, wiesen keine höhere Leistungsfähigkeit auf.

Auch die Art des Trainingsprogrammes machte keinen Unterschied – ob Elevate, Lumosity oder andere, die Nutzer wiesen keine positiven Trainingseffekte auf.

Ein interessantes Ergebnis brachte die Studie aber dann doch noch hervor: eine Art reversierten Placebo-Effekt.

Jene Teilnehmer, die an die Effektivität von Hirntrainingsprogrammen glaubten, schnitten im Schnitt schlechter ab als die anderen Studienteilnehmer.[iii]

Zum Weiterlesen:

https://www.gwern.net/docs/dnb/2020-stojanoski.pdf

[i] Das Paper trägt den Titel: Brain Training Habits Are Not Associated With Generalized Benefits to Cognition: An Online Study of Over 1000 “Brain Trainers”.

[ii] Die kognitive Kapazität wurde mithilfe des „Cambridge Bran Sciences“-Onlinetests durchgeführt, der sich in der Vergangenheit immer wieder als guter Maßstab für die kognitive Leistungsfähigkeit bewährt hat. Die gesamte Studie lief online ab.

[iii] Dabei gab es sowohl Personen, die an die Effektivität glaubten, aber nicht trainierten als auch solche, die nicht an die Effektivität glaubten und dennoch trainierten.