Ray Dalio und Paradigmenwechsel in der Wirtschaft
Bridgewater Associates ist eine der weltweit erfolgreichsten Investment Management Firmen mit ca. 160 Milliarden US-Dollar an verwaltetem Vermögen. Ray Dalio gründete das Unternehmen 1975 aus seinem Zweizimmer-Apartment heraus und hat es seither mit sehr klugen Investmententscheidungen zu einem der 50 wichtigsten privaten Unternehmen der USA entwickelt - so zumindest die Einschätzung von Fortune Magazine zur Wichtigkeit des Unternehmens.
Ray Dalio ist allerdings nicht durch sein eher unbekanntes Unternehmen sondern vor allem durch sein Buch „Principles“ populär geworden, in welchem er über seine Arbeits- und Lebensprinzipien schreibt. Glücklicherweise schreibt Ray Dalio seit einiger Zeit auch immer mehr über seine Investmentgedanken- sowie seine Philosophie. In diesem Zusammenhang schrieb er auch über Paradigmenwechsel in der Wirtschaft. Über den ersten Teil seines Artikels zum Paradigmenwechsel, welchen er im Juli dieses Jahres veröffentlichte, soll es im heutigen Blog-Eintrag gehen. Den Link zum Originalwerk findet ihr bei den Quellenangaben am Ende dieses Eintrags.
Paradigmenwechsel und Investmentweisheiten von Ray Dalio
Wenn Ray Dalio von Paradigmen spricht, spricht er von großen Makrotrends, die für so lange Zeit anhalten, dass Investoren den Glauben gewinnen, sie würden nie wieder aufhören. Genau in diesem Punkt der größten Sicherheit darüber, dass es in Zukunft immer so weitergehen muss, wie bisher, kommt es aber zu einer Umkehrung der Paradigmen. Meist in die genau entgegengesetzte Richtung. Ein guter Investor muss lernen, diese Paradigmenwechsel zu navigieren oder sein Portfolio so zu kreieren, dass es so immun wie möglich gegenüber den Wechseln ist.
Wegen der Wechsel ist laut Ray keine Strategie ohne Diversifikation sehr sinnvoll. Denn selbst wenn der Bereich auf den man sich ausschließlich fokussiert durchschnittlich genauso läuft wie der Markt, so kann es, in für diesen Bereich schlechten Paradigmen, zu einem kompletten Ausfall kommen, der einen in den Ruin treibt.
Der Konsensus des Marktes besteht sehr selten, ja im Grunde nie, aus einer rationalen Sichtweise darüber, was besonders wahrscheinlich ist. Vielmehr besteht der Konsensus aus einem Blick auf die jüngste Geschichte und schließt daraus, dass sich die jüngste Geschichte auch in jüngster Zukunft wiederholen wird. In Zeiten der Paradigmenwechsel ist genau diese Extrapolation aber falsch und gefährlich. Ein starker Konsensus in eine Richtung deutet meist auf einen baldigen Wechsel in die entgegengesetzte Richtung hin.
Ray Dalio ist zwar kein typischer Buy and Hold Investor, sondern durchaus sehr aktiv, was die strategische Asset Allokation betrifft. Dennoch hat er einen langen Zeithorizont.
Er empfiehlt Investoren, sich immer die Frage zu stellen, wie das nächste Jahrzehnt aussehen wird. Als Grundlage für seine Beantwortung dieser Frage blickt Ray Dalio in die Geschichte und sieht sich die letzten Jahrhunderte in Zehnjahresperioden an. Er hofft die aktuelle Phase in einer Phase der Vergangenheit wiedererkennen zu können, um daraus zu schließen, in welche Richtung der nächste Paradigmenwechsel führen wird.
Ray Dalio vertritt in gewisser Weise auch immer das Konzept, dass der Markt kurzfristig wie eine Wahl ist, langfristig aber wie eine sehr genaue Wage. Dieses Langfristige besteht aber nicht darin, dass der Markt jemals den Zustand der rationalen Wage einnimmt. Vielmehr schwankt der Markt immer zwischen zu viel Gewicht und zu wenig, im Mittelwert ist das Gewicht aber sehr akkurat.
Eine Wirtschaft im Gleichgewicht
Für ihn zeichnet sich eine Wirtschaft, die sich im Gleichgewicht befindet, bzw. ein Markt der eine akkurate Waage darstellt dadurch aus, dass:
Schulden im Einklang mit den Gewinnen wachsen, die zur Bezahlung der Schulden verwendet werden und nicht schneller oder langsamer.
Die Wirtschaft weder zu viel produziert, was zu Ineffizienzen führt, noch zu wenig, was zu wirtschaftlicher Depression führt.
Die erwartete Rendite des Sparbuchs soll niedriger sein, als die der Anleihen, die wiederum niedriger sein soll als die der Aktien, die wiederum niedriger sein soll, als die von anderen noch risikoreicheren Anlagen.
Um diese 3 Zustände, die ein Gleichgewicht der Rationalität darstellen würden, schwankt die Wirtschaft ständig herum. Die Aufgabe eines Investors ist es, sich diesen Schwankungen gegenüber antifragil zu machen, um den Terminus von Nassim Taleb zu verwenden, oder auf diese Schwankungen angemessen und mit Weitsicht zu reagieren.
Exzesse verursachen Exzesse
Dabei ist immer wichtig sich im Kopf zu behalten, dass Exzesse in die eine Richtung meist zu Exzessen in die andere Richtung führen. Das sorgt dafür, dass sich die Paradigmen immer in die genau entgegengesetzten Richtungen verändern.
Nur um ein Beispiel zu nennen: Gibt es eine Phase sehr niedriger bzw. exzessiv niedriger Volatilität, werden sich Investoren nach und nach immer sicherer fühlen und entsprechend auch immer mehr Fremdkapital aufnehmen, da die Gewinnen scheinbar ohnehin nicht schwanken. Kehrt sich der Trend aber um, so kommt es nicht zu einer normalen Volatilität, sondern zu einer exzessiv hohen. Denn die hohen Fremdkapitalquoten führen zum Anstieg der Volatilität im Markt bzw. zum Anstieg der Anfälligkeit der Investoren auf diese Volatilität.
Der wichtigste Tipp den Ray Dalio also an alle Investoren hat, ist sich bei seinen Entscheidungen nicht auf die letzten zehn Jahre oder jüngere Vergangenheit zu konzentrieren. Man soll also nicht in Tech-Aktien investieren, nur weil diese in den letzten Jahren am erfolgreichsten waren. Vielmehr soll man einen weiteren Blick in die Geschichte werfen und versuchen Muster zu erkennen. Die Mustererkennung ist laut Ray eines der Erfolgsgeheimnisse von Bridgewater.
Die Paradigmenwechsel der letzten 100 Jahre
In seinem Artikel liefert der erfolgreiche Investor auch gleich einen Startpunkt für die historische Recherche der Leser mit. So analysiert er die grobe wirtschaftliche Entwicklung der USA seit den 1920er Jahren immer in Zehnjahresabschnitten, wovon ihre folgend eine kurze Zusammenfassung findet:
Die 1920er begannen mit einer Rezession nach welcher sich die Investoren vor allem für starkes Wachstum und damit Aktien interessierten. Fremdkapital war entsprechend billig, es bildete sich eine typische kreditfinanzierte Blase die 1929 platzte.
Die 1930er Jahre waren turbulent. Anfangs befand sich die Wirtschaft in einer Depression. Niedrige Zinsen, eine Abwertung des US-Dollar führten schließlich wieder zu steigenden Preisen von Aktien und anderen Vermögenswerten. In dieser Zeit stieg die Ungleichheit der Vermögen stark an, weil das Kapital schneller wuchs, als die Einkommen. Das führte zu einem Aufblühen von Nationalismus, Populismus und Kommunismus in extremen Formen. Am Ende der Dekade brach der Weltkrieg aus.
Die 1940er Jahre waren geprägt vom Krieg und einer auf Kriegswirtschaft aufbauenden wirtschaftlichen Entwicklung. Mit der Hoffnung, dass diese Zeit in Zukunft nicht mehr relevant sein wird, sei diese Periode ausgespart, da sie nicht der normalen wirtschaftlichen Entwicklung entspricht.
Die 50er Jahre der Nachkriegserholung waren von soliden gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten im Bereich der 4% geprägt. Der Staat baute Schulden ab, die privaten Schulden wuchsen im Einklang mit den Einkommen – es ergab sich eine gesunde finanzielle Lage.
Die 1960er Jahre waren anfangs davon geprägt, dass die Investoren auf Basis der soliden Entwicklung des letzten Jahrzehnts immer mehr Fremdkapital aufnahmen. Schließlich nahmen die Schulden aber Überhand und gegen Ende der 1960er Jahre rutschte die Wirtschaft in eine Rezession.
Um die hohen Schulden sowie das Problem der Handelsdefizite auszugleichen fokussierte sich die Geldpolitik der 1970er Jahre darauf, eine recht hohe Inflation zu erzeugen bzw. den US-Dollar abzuwerten. In Kombination mit den schwachen Wachstumsraten der Rezession führte das zur typischen Stagflation. Alles in allem eine schwache wirtschaftliche Phase in der die Aktien- und Anleihenmärkte schwach performten.
In den 1980er Jahren wurde die Geldpolitik der USA viel restriktiver. Allerdings war das Wachstum der Wirtschaft solide und sowohl Aktienmärkte als auch Anleihen entwickelten sich sehr gut – genau im Gegentrend zur vorherigen Dekade.
Die Dekade der 90er Jahre begann mit einer Rezession, dem ersten Golfkrieg und der damit einhergehenden Lockerung der Geldpolitik. Die lockere Geldpolitik führte zu einem starken Anstieg des Fremdkapitals. Es kam zur kreditfinanzierten Dotcom Blase, welche kurz nach Ende der 1990er platzte.
Die erste Dekade des zweiten Jahrtausends begann mit dem Platzen der Dotcom Blase. Es folgte eine massive Schuldenkrise, die schließlich zur großen Wirtschaftskrise in den Jahren 2008-2009 führte.
Die Dekade in der wir uns aktuell befinden ist geprägt durch aggressive Zentralbanken, die sich immer mehr als Zentralplanungsbehörden der Geldpolitik verstehen. Das führte zu einer Rally der Vermögenswerte bei gleichzeitig eher schwachem wirtschaftlichem Wachstum. Man kann wiederum ein ungleiches Wachstum von Vermögen und Einkommen beobachten, was zum Aufblühen des Populismus führt. Aktuell sind die Aktienpreise und die Preise anderer Vermögenswerte recht hoch und die Inflation gering.
Im zweiten Teil des Artikels beschäftigt sich Ray Dalio damit, welchem Paradigmenwechsel wir wohl in den 2020er Jahren erleben werden, insofern von euch Lesern eine positive Resonanz besteht, werde ich auch dazu noch einen Blog-Eintrag schreiben.
Quelle:
https://www.linkedin.com/pulse/paradigm-shifts-ray-dalio. (Zugriff: 11.10.2019)
https://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/fonds-etf/bridgewater-weltgroesster-hedgefonds-macht-15-prozent-rendite-auch-mit-wetten-gegen-den-dax/23835204.html?ticket=ST-39214829-6c11Jdqdf0f15VnYuDqk-ap5. (Zugriff: 12.10.2019)
https://www.bridgewater.com/. (Zugriff: 12.10.2019)
https://www.bridgewater.com/leadership/ray-dalio/. (Zugriff: 12.10.2019)