„Noch ernster wird es, wenn wir die Auswirkungen dieser Ambivalenzflucht auf die Außenpolitik betrachten. Die Neigung zum direkten Eingreifen, um Zustände eindeutig zu klären, also zum Interventionismus, speist sich nicht zuletzt aus der Tendenz, auch in der Politik »Schwebezustände und Kompromisse zu vermeiden«.“ – Thomas Bauer in seinem sehr empfehlenswerten Buch „Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“.

Ambiguitätstoleranz ist eines der bestimmenden Themen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens – und gleichzeitig eines, dem der Mainstream-Diskurs wenig Beachtung schenkt. Ambiguität mögen wir Menschen nicht - am liebsten sind uns eindeutige Antworten. Dennoch schaffen es manche Gesellschaften toleranter mit der Mehrdeutigkeit umzugehen und andere haben damit massive Schwierigkeiten.

Der Psychiatrie Professor Christopher Baethge attestiert beispielsweise den US-Amerikanern eine vergleichsweise niedrige Ambiguitätstoleranz. Die Stimmen von Männern sind in den USA tendenziell tiefer und kerniger, während Frauen eher mit recht hohen, fast schon schrillen, Stimmen sprechen. In Europa ist dieser Kontrast viel schwächer ausgeprägt. Als Sportarten sind Football, Basketball oder Baseball in den USA beliebt. Gerade die Sportarten also, bei denen es nur sehr selten ein Unentschieden gibt.

Soweit so gut. Spannend ist aber nun der Zusammenhang mit der Politik, genauer gesagt der Außenpolitik.

Die USA ist bekannt für einen recht ausgeprägten Interventionismus. Man will die Dinge klären, schickt viel schneller Soldaten in Krisengebiete, als andere Nationen. Das hat sicherlich viele kulturelle, strategische und historische Gründe, doch die Ambiguitätsintoleranz der US-Amerikaner mag ein nicht zu unterschätzender Grund für diesen starken Drang zu direkter militärischer Intervention sein.

Zum Weiterlesen:

Bauer, Thomas: Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Ditzingen: 2018.

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