noah leidinger

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Polizeigewalt - Good Stranger

Kaum ein Thema erregt aktuell so viel Aufsehen wie die Polizeigewalt. Zum einen ist klar, dass Polizisten für ihre Arbeit eine gewisse Kollaboration von Seiten der Bürger benötigen. Ein Polizist muss in der Lage sein, potentielle Straftäter gefangen zu nehmen, den Verkehr zu regeln und auch sonst regulierend in das Zusammenleben einzugreifen.

Gleichzeitig gibt es diverse Fälle, in welchen die eigentlichen Ordnungshüter für noch mehr Unordnung sorgen, überreagieren und unnötige Gewallt verwenden.

Entscheidend ist dabei die Brille, durch welche der Polizist seine eigene Arbeit betrachtet. Ein Polizist, der sich als „Good Stranger“ empfindet, fokussiert sich auf die freiwillige Kollaboration und friedliche Zusammenarbeit mit Bürgern. Ein „Bad Stranger“ hingegen legt den totalen Fokus auf die Kontrolle der konkreten Situation.

Gary Klein und Kollegen haben im Zuge ihres Papers „The Good Stranger Frame for Police and Military Activities” diverse Polizisten zu Konfliktsituationen befragt. Erstaunlich dabei war, welche einfachen Perspektivenwechsel zu einem vollkommen anderen Verhalten geführt haben.

Polizisten, die sich einen Namen als „Good Stranger“ gemacht haben, zeichnen sich durch einen sehr langfristigen Fokus aus.

Ein traditioneller Ordnungshüter erachtet jeden Bürgerkontakt als eine Chance, Ordnung und Sicherheit herzustellen. Die „Good Stranger“ Polizisten hingegen, sprachen davon, jeden Bürgerkontakt so zu beenden, dass der Bürger am Ende der Interaktion mehr Vertrauen in die Polizei hat als zuvor.

Der Fokus wird also von der kurzfristigen Stabilisierung der Situation auf eine langfristige Stabilisierung der Gesamtlage gerichtet. Dieser scheinbar harmlose Perspektivenwechsel reduziert die Anzahl an physisch gewaltsamen Eingriffen ganz entscheidend. Während es im Moment oft am einfachsten ist, mit Gewalt einzugreifen, hat ein derartiger Eingriff auf lange Sicht viele negative Konsequenzen.

Wie kommt es aber zu einem derartigen Perspektivenwechsel? Wie bekommen wir mehr „Good Stranger“ auf die Straße?

Erstmal muss man sich klar machen, dass die Ausgangssituation keine sehr günstige ist. Seit der Kindheit sind die meisten von uns medial so geprägt, dass der Hauptjob des Polizisten darin besteht, Kriminelle festzunehmen und als Autorität für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Mit diesem Rahmen - dieser Brille - gehen auch viele Polizisten in ihre Berufsausbildung.

„Good Stranger“ lösen sich im Zuge ihrer Berufslaufbahn von diesem Rahmen, während „Bad Stranger“ ihn großteils beibehalten. Als Schlüssel für ihren Wandel zu einem „Good Stranger“ beschreiben viele Polizisten ein positives Vorbild, also einen Vorgesetzten, der aufgrund seiner sehr freundlichen und vertrauenswürdigen Art enorm effektiv und beliebt ist.

Genau dieser Faktor wird bei der aktuellen Debatte rund um Polizeigewalt aber ziemlich vernachlässigt. Jemand der sich aus autoritärer Ordnungshüter empfindet, wird sich nur schwerlich durch die Forderungen großer Proteste wandeln. Vielmehr werden solche Proteste in ihm das Gefühl hervorbringen, noch mehr Ordnung schaffen zu müssen. Die wirklich effektiven Änderungen müssen höchstwahrscheinlich von Innen kommen, durch Vorbilder, Normen und Gruppendynamiken, die dem Polizisten die Brille des „Good Stranger“ aufsetzen.

Zum Weiterlesen:

https://www.researchgate.net/publication/271728350_The_Good_Stranger_Frame_for_Police_and_Military_Activities