noah leidinger

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Schnellere Pferde & Funktionsmüdigkeit

“If I had asked people what they wanted, they would have said faster horses.” – vielleicht Henry Ford.

Mit diesem Zitat kommt der Automobilmagnat Henry Ford bis heute in diversen Debatten rund um das Thema der Innovation vor. Abgesehen davon, dass es keine Beweise dafür gibt, dass Ford diese Worte tatsächlich jemals gesprochen hat, steckt in ihnen viel Wahrheit.

Doch meist wird dieses Zitat als ein Anstoß für radikale Innovation verstanden. Meist wird dieses Zitat dahingehend verstanden, dass man den Kunden mehr gibt, als sie verlangen. Ja, dass man den Kunden mehr gibt, als sie sich erträumen können.

Tatsächlich hat dieses Zitat aber noch eine ganz andere Bedeutung: Man muss den Kunden weniger geben, als sie verlangen.

Im Zuge des Papers „Feature fatigue: when product capabilities become too much of a good thing.” haben Debora Viana Thompson et al. mit Hilfe von drei Studien das interessante Phänomen der “feature fatigue” belegt.

Funktionsmüdigkeit bedeutet, dass ein Produkt mit zu vielen Funktionen nur mehr mit viel Aufwand nutzbar ist. Je mehr Funktionen, desto höher die Komplexität.

Soweit ist das noch nichts Neues. Was die Wissenschaftler aber in ihrer Studie zeigen konnten: beim Kauf und Design von Produkten legen Kunden viel Wert auf die Anzahl an Funktionen und die Möglichkeiten, die ein Produkt bietet. Bei der Nutzung des Produktes hingegen ergibt sich das genau gegenteilige Bild: Die vielen Funktionen, die man vorher sehnsüchtig erwartete, machen das Produkt nur unnötig komplex.

Es gibt also einen entscheidenden Unterschied zwischen den Präferenzen von Kunden vor und nach dem Kauf von Produkten. Wenn man also klassische Marktforschung durchführt, wird man tendenziell viel zu viele Funktionalitäten in das eigene Produkt einbauen. Gerade bei digitalen Produkten wo die Kosten eines neuen Features oft minimal sind, muss man besonders vorsichtig sein, es nicht zu übertreiben.

Die Kunden werden im Vorhinein die neuen Features immer begrüßen, wenn es dann aber um die Nutzung geht, ist die Einfachheit besonders entscheidend. Gerade für langfristig orientierte Unternehmen, die zufriedene Kunden haben wollen, siegt also aus Sicht der Funktionsmüdigkeit ganz klar ein einfaches Produkt. Für kurzfristig orientierte Unternehmen hingegen kann ein Funktionsüberfluss sogar von Vorteil sein. Will man beispielsweise nur eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durchführen, auf einen Schlag viel Umsatz machen und sich danach wieder aus dem Geschäft verabschieden, ist ein Überfluss an Features kein Problem. Beim Kauf werden die Kunden diese Features sehr schätzen und die spätere Kundenzufriedenheit kann in diesem Fall ja egal sein.

Zum Weiterlesen:

https://www.rhsmith.umd.edu/files/Documents/Faculty/FeatureFatigueWhenProductCapabilitiesBecomeTooMuchOfAGoodThing.pdf

https://hbr.org/2011/08/henry-ford-never-said-the-fast