noah leidinger

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Wissen wiederfinden

Nehmen wir an, du wirst 100, 200 oder 500 Jahre in die Vergangenheit versetzt. Wie viele Innovationen von heute könntest du in deiner neuen Realität umsetzen?

Könntest du den ersten Fernseher entwickeln? Könntest du den Leuten wissenschaftlich beweisen, wie diverse Gesetze der Physik funktionieren? Könntest du wenigsten den Reißverschluss erfinden?

Aus irgendeinem unerkenntlichen Grund taucht dieses Gedankenexperiment immer wieder in meinen Denkprozessen auf.

Vielleicht deshalb, weil meine Antwort immer wieder erstaunlich enttäuschend aussieht. Ich könnte weder den ersten Fernseher entwickeln, noch verstehe ich den genauen Mechanismus hinter einem Reißverschluss.

Das ein oder andere physikalische Experiment könnte ich zwar nachstellen, ob ich es wirklich überzeugend erklären kann, ist aber eine andere Frage.

Insofern mich meine Erfahrung nicht täuscht, wird es den meisten Menschen ähnlich gehen. Wir verstehen wenig und noch weniger sind wir dazu in der Lage, unser Verständnis selbst nachzukonstruieren.

Eliezer Yudkowsky empfiehlt in diesem Zusammenhang folgende Frage: „Wie könnte ich dieses Wissen wiederherstellen, wenn es aus meinem Bewusstsein gelöscht wird?“

Es ist eine Frage, die wir uns bei jedem Lernprozess stellen sollten. Schlussendlich ist das Ziel, nicht bloße Fakten, sondern Wissensbrunnen zu lernen. Wir lernen also nicht nur die Fakten an sich, wir lernen auch die Ursprünge dieser Fakten, die Ursprünge der Ursprünge und so weiter.

Erst, wenn wir den gesamten Wissensbrunnen einer Erkenntnis verinnerlicht haben, haben wir auch die Erkenntnis verinnerlicht.

Zum Weiterlesen:

Yudkowsky, Eliezer: Map and Territory. Rationality: From AI to Zombies. Berkeley: 2018.