Die Lebenszyklen von Unternehmen in der Aktienanalyse
So gut wie alle Unternehmen, durchlaufen verschiedene Lebensphasen. Das ist natürlich keine neuartige Erkenntnis, jedem ist klar, dass die meisten Unternehmen klein anfangen, danach meist stark wachsen, irgendwann zu stabilen, profitablen und wachstumsschwachen Konzernen werden und sich dann, langsam aber sicher, von neuer Konkurrenz vom Markt verdrängen lassen.
Natürlich wird nicht jedes Start-Up zu einem erfolgreichen Unternehmen mit rasantem Wachstum und nicht jedes stark wachsende Unternehmen wird zu einem profitablen Konzern. Auch gibt es Konzerne die seit hunderten Jahren erfolgreich sind und noch nicht verdrängt wurden. Weshalb ist das nun aber für einen Investor wichtig?
Es ist deshalb so wichtig, weil die verschiedenen Phasen eines Lebenszyklus sich durch ganz andere Faktoren auszeichnen. Das führt dazu, dass es in manchen Branchen bspw. sehr leicht ist schnell zu wachsen, dafür aber schwer ist wirklich profitabel zu werden, während es sich in anderen Branchen genau umgekehrt verhält.
Ein Investor sollte daher bei der Analyse von Unternehmen immer im Auge behalten, in welcher Phase sich das Unternehmen gerade befindet und welche Faktoren in dieser Phase besonders wichtig sind. Dann gilt es den Blick darauf zu werfen, welche Phase als nächstes kommt und sich zu fragen, ob das Unternehmen für diese bereit ist, oder nicht wirklich über die Kapazitäten verfügt um den Sprung zu schaffen.
Der Übergang von einer Phase zur nächsten kann als Prüfung gesehen werden, die in der Realität immer nur wenige Unternehmen bestehen. Ein vollständiger Lebenszyklus umfasst 6 Phasen, viele Unternehmen durchleben wie gesagt aber bei Weitem nicht alle Phasen, die meisten scheitern tatsächlich bereits in der ersten Phase.
Die 6 Lebensphasen von Unternehmen
Start-up
Man hat eine gute Idee, die ein Bedürfnis am Markt befriedigt und findet erste Kunden – für uns Aktieninvestoren ist diese Phase irrelevant.
Rasantes Wachstum
Man findet ein passendes Geschäftsmodell für die Idee und verwandelt die Idee in hohes kommerzielles Potential. In dieser Phase gehen bereits einige Unternehmen an die Börse, ohne ein wirklich ausgereiftes Geschäftsmodell zu haben. Als Beispiel ist Snapchat zu nennen, als es 2017 an die Börse ging.
Hohes Wachstum
Man verwandelt das hohe kommerzielle Potential langsam aber sich in Umsätze und fokussiert sich darauf rasant zu expandieren. In dieser Phase befindet sich Tesla aktuell und schon seit einigen Jahren.
Stabiles Wachstum
Man versucht aus Verlusten Profite zu machen, während das Wachstum abflacht. In dieser Phase befindet sich Twitter nun schon seit einiger Zeit, welches mehr schlecht als recht versucht profitabel zu werden. Auf viele der großen Tech-Unternehmen der letzten Jahre wie UBER oder Netflix wird sich in dieser Phase zeigen, ob sie wirklich profitabel werden können.
Stabilität und Profitabilität
Man versucht das Unternehmen vor junger und agiler Konkurrenz zu verteidigen und ist auf der Suche nach neuen Märkten mit denen man das schwache Wachstum beschleunigen oder zumindest aufrechterhalten kann. Viele Konsumgüterhersteller wie Nestle oder Coca Cola befinden sich in dieser Phase, hier spielen Akquisitionen für das Wachstum oft auch eine große Rolle. Wenn Unternehmen es bis in dieser Phase schaffen, haben sie oft ein langes Leben als stabiler und profitabler Konzern vor sich.
Abschwung und Untergang
In dieser Phase geht es darum, noch alle Prozesse zu optimieren und möglichst effizient die letzten Gewinne zu erwirtschaften, ehe das Unternehmen sich vom Markt verabschiedet und für neue Unternehmen Platz macht. Als negatives Paradebeispiel für diese Phase ist, Kodak mit einem rasanten und nahezu legendären Untergang zu nennen. Aktuell befindet sich Yahoo (unter dem Dach von Verizon Media) in dieser Lage des Abschwungs.
Wichtige Faktoren in den jeweiligen Phasen
Es fällt auf, dass es Branchen, wie die Flugzeugindustrie, gibt, in denen man sehr selten etwas von jungen stark wachsenden Start-ups hört, die Boeing und Airbus in Bedrängnis bringen. Gleichzeitig sind die Flugzeughersteller die es gibt, wie eben Boeing oder Airbus, seit Jahren sehr profitable und stabile Unternehmen und wirken nicht wie Kandidaten für einen baldigen Untergang.
Ganz anders verhält es sich in der Internet-Branche. Nahezu jede Woche hört man von einem neuen glorreichen Start-up, welches in wenigen Monaten zu Millionen von Usern gekommen ist. Gleichzeitig gibt es wenige Internet-Konzerne die wirklich profitabel sind und umso mehr, die nach dem rasanten Aufschwung auch wieder rasant absteigen.
Gibt es also allgemeine Faktoren, die Investoren beachten können, um einzuschätzen, ob der nächste heiße IPO in einigen Jahren auch wirklich Gewinne erwirtschaften wird oder von der Branche und vom Geschäftsmodell zwar gut für Wachstum aber eher schlecht für Profitabilität gerüstet ist?
Meines Erachtens gibt es solche Faktoren und diese sollte auch jeder Investor bei seinen Analysen von Unternehmen berücksichtigen.
In den ersten Phasen des Lebenszykluses ist es vorteilhaft, wenn folgende Faktoren für das Unternehmen und die Branche in welcher es sich befindet, gegeben sind:
Wenige Markteintrittsbarrieren und regulatorische Barrieren
Leichter Zugang zu viel Kapital
Niedriger Investitionsbedarf für den Einstieg in das Geschäft
Schwache Bindung zwischen Kunden und der bestehenden Konkurrenz
Je stärker ausgeprägt diese Faktoren in einer Branche sind, desto mehr Wachstum und Erfolg kann man sich von einem jungen Unternehmen in dieser Branche erwarten. Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass genau diese Faktoren für eingesessene Konzerne, die sich in der stabilen Phase ihres Zyklus befinden, sehr gefährlich sind. Je leichter nämlich neue Konkurrenz in den Markt einsteigen und wachsen kann, desto schwerer ist es für die bestehenden Unternehmen ihre Position zu verteidigen.
Für Investoren bedeutet das, dass Unternehmen die sehr schnell sehr groß werden oft auch einen schwächeren Burggraben haben, als Unternehmen in Branchen mit höheren Eintrittsbarrieren. Das führt dazu, dass die Margen in den Sektoren mit vielen jungen Unternehmen immer niedriger sein werden, weil die großen Konzerne nie die nötige Preismacht haben um hohe Margen zu erreichen - sie müssen immer neue Eindringlinge fürchten.
In der Phase des hohen Wachstums spielt schließlich sowohl die Skalierbarkeit, wie leicht und kosteneffizient man also wachsen kann, als auch die Trägheit der Mitbewerber eine entscheidende Rolle.
In der Phase des stabilen Wachstums ist der entscheidendste Faktor, wie nachhaltig der Wettbewerbsvorteil ist und ob der gesamte Markt noch wächst oder man nur wachsen kann, indem man der Konkurrenz Kunden abwirbt.
All diese Faktoren sollte man als Investor gut durchdenken. So kann es bspw. sein, dass das Wachstumspotential in Branchen zwar hoch ist, es aber keine wirklichen Skaleneffekte gibt, Unternehmen also nicht wirklich effizienter werden, während sie größer werden. Das kann wiederum dazu führen, dass junge Unternehmen zwar sehr attraktiv wirken, weil sie stark wachsen, sie aber schlussendlich nie die Profitabilität erreichen werden, da die erhofften Skaleneffekte ausbleiben. So ist bspw. bei UBER nicht klar, ob das Unternehmen mit dem bestehenden Modell jemals profitabel werden wird, weil sich bisher noch keine Skaleneffekte in den Margen niedergeschlagen haben.
Fazit zum Lebenszyklus von Unternehmen
Schlussendlich sollte man in Bezug auf den Lebenszyklus folgenden Faktor beachten:
„If it´s easy to grow if it´s easy to scale it´s also more likely that companies fail.“
In Branchen, in denen die Unternehmen also schnell wachsen und erhebliche Größe erreichen, ist der Burggraben, den sie als stabile Konzerne erreichen meist recht gering und oft scheitern Konzerne in diesen Bereichen die Profitabilität zu erreichen.
Das ist für Investoren deshalb so wichtig, weil der psychologische Halo-Effekt uns dazu bringt stark wachsende Unternehmen aufgrund des starken Wachstums als grundsätzlich attraktiv zu bewerten. Oft hört man, dass man den Firmen einfach Zeit geben muss, um zu wachsen, sie dann aber jederzeit profitabel werden können.
In vielen Fällen ist die Wahrheit aber, dass manche Unternehmen jahrelang stark wachsen und wahnsinnig attraktiv wirken können, wenn es dann aber darum geht, das Wachstum in Gewinne zu verwandeln, scheitern die Unternehmen und werden, ehe sie sich auf ihren Lorbeeren ausruhen können, schon vom nächsten Start-up überholt.
Wie wir gesehen haben, sind die Faktoren, die ein Unternehmen in den ersten Lebensphasen attraktiv machen oft genau entgegengesetzt zu den Faktoren, die in den späteren Lebensphasen wichtig sind.
Fazit: Die Faktoren, die Unternehmen schnell und leicht wachsen lassen, lassen sie auch schnell und leicht untergehen.