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Highlights: Die Lieferkette der COVID-19-Impfungen

In den letzten Tagen habe ich den herausragenden Artikel „Exploring the Supply Chain of the Pfizer/BioNTech and Moderna COVID-19 vaccines” von Jonas Neubert und Cornelia Scheitz übersetzt.

Das Resultat ist ein mehr als 20 Seiten langer Text, mit dem Titel „Außenperspektive: Die Lieferkette der COVID-19-Impfungen von Pfizer-BioNTech und Moderna“. Trotz seiner Länge ist der Artikel meines Erachtens absolut lesenswert – er taucht zwar von Zeit zu Zeit recht tief in die Feinheiten der Lieferketten ein, bietet schlussendlich aber eine apolitische und faktenbasierte Perspektive auf eine sonst emotional stark aufgeladene Thematik.

Im Folgenden eine kurze Sammlung meiner Kernerkenntnisse aus dem Text:

„Die Fähigkeiten und Infrastruktur zur Massenproduktion von mRNA sind neu. Der Umwandlungsprozess von DNA zu mRNA in lebenden Zellen ist zwar ausführlich erforscht. Das Ganze in großen Mengen, in einer Fabrik und mit einer möglichst langen Haltbarkeit zu tun, ist eine Herausforderung, deren Lösung noch in ihren Kinderschuhen steckt. Zum Vervielfachen der DNA konnten wir auf E. coli Bakterien zurückgreifen – ein kleiner Organismus der genialerweise mit allen Komponenten zur Vermehrung von DNA ausgestattet ist. Derselbe Prozess funktioniert aber nicht zur Herstellung der mRNA.“

„Um den Anfang der mRNA zu schützen, wird eine 5‘-Cap-Struktur hinzugefügt. Um das zu tun, während die mRNA transkribiert wird (kotranskriptional), fügt man ein Analogon der 5‘-Cap-Struktur zum Reaktionsmix hinzu. Diese Struktur wird von der Polymerase in die mRNA integriert, sobald der entsprechende Promoter (spezifische Sequenz zur Initiierung der Transkription) von der Polymerase gelesen wird. Es gibt nur einen Anbieter dieses Analogons – TriLink und das Partnerunternehmen tebu-bio für den europäischen Markt.“

„Die LNP sind ein zentraler Baustein des Impfstoffes und dessen Effizienz. Die spezifische Kombination der Lipide ist höchstwahrscheinlich der Grund dafür, dass die Nanopartikel von Moderna die mRNA auch bei höheren Temperaturen vor der Degradierung schützen können.“

„Sowohl Pfizer-BioNTech als auch Moderna haben zwei großteils unabhängige Lieferketten in Europa und den USA. Das macht aus zweierlei Hinsicht Sinn. Zum einen kann dadurch eine maximale Nutzung der verfügbaren Produktionskapazitäten garantiert werden, zum anderen erreicht man durch Redundanz die nötige Resilienz.“

„Der Produktionsprozess nimmt, angefangen bei der Herstellung des Wirkstoffes (der mit der DNA Synthese beginnt) endend beim Füllen und Verpacken der fertigen Ampullen, einige Wochen in Anspruch.“

„mRNA-Produktion wurde noch nie in jener Größenordnung betrieben, die für die COVID-19 Impfstoffe nötig ist. Daraus folgt, dass es sich um die risikoreichste Komponente der Lieferkette handelt. Aus Sicht des Materials sind einige Enzyme zum Stabilisieren der mRNA nur im beschränkten Ausmaß verfügbar. Aus Sicht der Infrastruktur, haben die spezialisierten Produktionsstätten und Fachkräfte bisher nur mit kleinen Forschungsmengen hantiert.“

„Willkommen beim Flaschenhals der mRNA-Impfstoffproduktion! Die Anzahl an Fachkräften, die Lipide und mRNA so kombinieren können, dass ein Lipidnanopartikel entsteht, liegt womöglich im niedrigen dreistelligen Bereich. Und die Maschinen, um diesen Prozess durchzuführen, sind keine Maschine, sondern individuell zusammengestellte Laborsetups.“

„Wie bereits erwähnt, dient die Kühlung des Impfstoffes, um diesen vor Degradierung zu bewahren. Allerdings sind die exakten Temperaturanforderungen und Zeitangaben nicht spezifisch auf die jeweiligen Impfstoffe abgestimmt und können sich im Zuge der nächsten Monate durchaus noch verändern.“

„Genau wie in den USA will Pfizer auch in allen anderen Ländern die Distributionsprozesse der regionalen Behörden umgehen.“

„Diese Vorgehensweise deckt sich mit Pfizers Ziel, die Impfungen in Zukunft auch an Endkunden statt an Regierungen zu verkaufen.“

„Die Verfügbarkeit von Ultratiefkühlschränken variiert von Land zu Land. Peru beispielsweise hat im gesamten Land nur gut 30 solcher Geräte – selbst auf dem Foto der Pfizer Gefrierzentrale sind mehr zu sehen.“

„Genau wie COVID-19 mRNA-Impfstoffe von einer bloßen wissenschaftlichen Obskurität zu einem kommerziellen Massenprodukt verwandelte, verhalf es auch, einem Forschungsprojekt rund um Glas in die Massenproduktion: Das Unternehmen Corning, welches in den USA so ziemlich hinter jedem zweiten Glasprodukt steckt, entwickelt bereits seit 2011 das sogenannte Valor Glas.“

„Wie für alle anderen Zutaten und Komponenten der COVID-19-Impfungen gilt auch für die Ampullen: Der Bedarf durch COVID-19 ist ein Zusatzbedarf, muss also zusätzlich zum bestehenden Bedarf für diverse andere Impfungen gedeckt werden. Trotz der optimistischen Vorhersagen seitens aller Produzenten, muss man sich vor Augen führen, dass die aktuelle Lösung nur eine Übergangslösung ist. In anderen Worten: Gäbe es ein unbegrenztes Angebot an Ampullen, würde man nicht mehrere Dosen in eine Ampulle füllen.“

„Eine essentielle Differenz zwischen den diversen Spritzentypen ist die Menge an Totvolumen – also die Menge an Impfstoff, der in der Spritze zurückbleibt. Fast alle Spritzen weisen eine gewisse Menge an Totvolumen auf, weil der Kolben im Regelfall nicht bis in die Nadel reicht. Manche Spritzen haben allerdings ein besonders niedriges Totvolumen – die Differenz zu normalen Spritzen beläuft sich mitunter auf Mikroliter im zweistelligen Bereich. Multipliziert man das mit 5 Dosen bei der Pfizer-BioNTech Impfung oder 10 Dosen bei der Moderna Impfung, so ergibt sich ein Volumen im Ausmaß einer Extradosis. Das erklärt auch, weshalb immer wieder von Extradosen in den Ampullen berichtet wird: Der Grund dafür sind im Regelfall Zubehörspakete, die Spritzen mit niedrigem Totvolumen enthalten.“

noah leidinger