Brücken und Märkte
Gerade ein Krisenzeiten, wenn die Kurse an den Börsen an einem Tag um 10% fallen und am nächsten Tag um 10% steigen, wird klar, dass Märkte nicht immer rational sind. Die These der effizienten Märkte mag in vielen Fällen mehr oder weniger richtig sein, doch sobald Chaos an den Märkten ausbricht, erkennt jedes Kind, dass die These falsch sein muss.
Dabei würde man eigentlich annehmen, dass die Märkte in Krisen am effizientesten sind. Schließlich sind zu diesen Zeiten auch die Volumina am höchsten. Wenn mehr Anbieter und Nachfrager am Markt aktiv sind, sollte sich durch ihr kollektives Verhalten die beste Annäherung an einen fairen Wert finden lassen.
Der südkoreanische Ökonom Hyun Song Shin erklärt dieses scheinbare Paradox anhand der Millennium Bridge in London. Die Fußgängerbrücke in der englischen Hauptstadt wurde mit ohnehin schon 2 monatiger Verspätung am 10. Juni 2000 eröffnet, musste aber zwei Tage später wieder geschlossen werden. Die Brücke begann nämlich heftig horizontal zu schwanken, wenn sich Fußgänger auf ihr bewegten.
Mit jedem Schritt von einem auf den anderen Fuß schwanken wir Menschen hin und her. Natürlich tun wir das unabhängig voneinander. Man würde also, genau wie auf den Finanzmärkten, folgende Annahme treffen: Je mehr Menschen auf der Brücke sind, desto weniger dürfte sie eigentlich schwanken, da sich die einzelnen menschlichen Schwingungen aufheben.
Doch genau das Gegenteil war der Fall. Wenn nämlich die Brücke nur zufällig ein bisschen zu schwanken begann, stellten sich die Passanten auf die Schwingung ein. Man beginnt also unterbewusst seinen Schritt der Brückenschwingung anzupassen. Je mehr sich die Fußgänger aber der Schwankung anpassen, desto stärker wird die Schwankung. Ein Teufelskreis entsteht.
Dasselbe Phänomen spielt sich auf den Märkten ab. Die einzelnen Investoren entscheiden natürlich nicht unabhängig voneinander. Jeder Investor beeinflusst den Markt und der Markt beeinflusst jeden Investor.
Dadurch werden Märkte durch mehr Liquidität zu Krisenzeiten nicht rationaler und effizienter. Vielmehr führt die Diversifikation in diesem Zusammenhang zu mehr Irrationalität.
Zum Weiterlesen:
https://www.kansascityfed.org/Publicat/sympos/2005/PDF/Shin2005.pdf