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Ökonomische Komplexität & Wachstum

Ein gut ausgebildeter, technisch versierter Arbeiter verdient im Regelfall um Größenordnungen mehr als ein Lehrling im ersten Lehrjahr. Der Unterschied zwischen den beiden liegt vor allem in ihrem Wissen – ihrem Knowhow und Knowledge.

Genau das gleiche Phänomen kann man auch bei Volkswirtschaften beobachten. Je mehr Knowledge und Knowhow die Arbeiter in einem Land besitzen, umso reicher ist dieses Land tendenziell. Die Menge an Knowledge und Knowhow in einem Staat sollte also ein sehr akkurater Indikator für dessen wirtschaftliche Gegenwart und Zukunft sein.

Nur kann man das in einer Volkswirtschaft verpackte Wissen nicht so einfach messen wie bei einem Arbeiter. Als Pendant zur Berufserfahrung und den Ausbildungszertifikaten des einzelnen Arbeiters dient bei Volkswirtschaften die ökonomische Komplexität.[i]

Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen ökonomischer Komplexität und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mehr als erstaunlich.

Zum einen gibt es eine sehr starke Korrelation zwischen dem BIP eines Landes und seiner ökonomischen Komplexität. Je ökonomisch komplexer, desto höher das BIP.[ii]

Viel spannender ist aber die Entwicklung von ökonomischer Komplexität und dem BIP. Staaten mit niedriger ökonomischer Komplexität aber hohem BIP wachsen in der Regel langsamer. Staaten mit niedrigen BIP aber hoher ökonomischer Komplexität weisen im Durchschnitt starke Wachstumsraten auf.

„This means that over long periods of time, the income of countries tends to follow the information that is captured by this measure of economic complexity—in short, countries’ incomes are predicted by the complexity of their economies.” - César Hidalgo in seinem Buch “Why information grows. The evolution of order, from atoms to economies.”

Besonders langfristig gesehen – also über einen Zeitraum von 10-15 Jahren – ist die ökonomische Komplexität ein enorm guter Maßstab für das zu erwartende Wachstum einer Volkswirtschaft.[iii]

Genau wie ein Arbeiter langfristig gesehen ein Gehalt erhält, das seinen Fähigkeiten entspricht, verdienen auch Länder auf lange Sicht ihrem Knowledge und Knowhow entsprechend.

Das erklärt zum Beispiel auch, wieso niedrige Löhne allein kein wirtschaftlicher Vorteil sind. Die Löhne müssen im Verhältnis zur ökonomischen Komplexität niedrig sein. Nur dann liefert der niedrige Lohn im globalen Wirtschaftstreiben einen Vorteil.

Zum Weiterlesen:

Hidalgo, César: Why information grows. The evolution of order, from atoms to economies. Philadelphia: 2015.

https://atlas.cid.harvard.edu/explore

https://ourworldindata.org/grapher/eci-ranking-vs-gdp-per-capita

[i] Sie ist im Grunde ein Maßstab dafür, wie komplex die Produkte sind, die ein gewisser Staat produziert. Ich habe den Begriff bereits ausführlich in meinem Artikel „Phänotyp der Wirtschaft“ erläutert.

[ii] Wenn hier von BIP die Rede ist, so ist immer das BIP pro Kopf gemeint - also die Wertschöpfung relativ zur Bevölkerungsanzahl.

[iii] Diese Fakten und Ideen stammen von César Hidalgo und seinem Buch “Why information grows. The evolution of order, from atoms to economies.”