Die Kosten der Geduld
Geduld gilt in vielen Kreisen als eine absolute Tugend. Wer sein Geld langfristig investiert, anstatt es sofort zu konsumieren, wird schlussendlich mehr Wohlstand aufbauen. Wer in der Jugend fleißig für die Zukunft lernt, anstatt den eigenen Leidenschaften zu folgen, wird einen besseren Job bekommen.
Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auch der populäre Marshmallow-Test zu erwähnen. Kinder, die auf ein Marshmallow verzichten, um nach einem gewissen Zeitraum zwei Marshmallows zu erhalten, sind im Leben tendenziell erfolgreicher.
Doch auch die Geduld kommt nicht ohne Kosten. In ihrem Paper „The cost of being too patient” zeigen Paola Giuliano und Paola Sapienza, dass ein extremes Maß an Geduld mit einer geringeren Lebenszufriedenheit einhergeht.[i]
Über neun verschiedene Kennzahlen der Lebenszufriedenheit hinweg zeigt sich, dass ein sehr hohes Maß an Geduld Menschen unglücklicher macht. Der Zusammenhang folgt einer konkaven Funktion – während also mehr Geduld anfangs auch zu mehr Lebenszufriedenheit führt, dreht der Zusammenhang ab einem gewissen Punkt um.
Ab diesem Geduld-Zufriedenheits-Maximum führt ein mehr an Geduld zu signifikant mehr Unzufriedenheit.
War es das also mit der Geduld als erstrebenswerter Tugend? Nein, denn die negativen Effekte der Geduld treten erst ab einem überdurchschnittlich hohen Niveau auf. In der Gesamtheit würde die Gesellschaft also durchaus von mehr Geduld profitieren – wer aber die eigenen Belohnungen immer in die Zukunft verschiebt, wird sie irgendwann nicht mehr genießen können.
Zum Weiterlesen:
https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/pandp.20201070
[i] Sie analysieren dazu die Daten des Gallup World Poll und des Global Preference Survey aus dem Jahre 2012. Sowohl das Maß an Geduld als auch die Lebenszufriedenheit wird auf unterschiedliche Arten gemessen.