noah leidinger

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Kritisches Fühlen – Russell-Konjugation

Kritisch denken, Fakten recherchieren, Informationen hinterfragen. Gerade in einer Zeit, wo wir von Informationen nur so bombardiert werden, spielt die Tugend des kritischen Denkens eine immer wichtigere Rolle.

Was wir dabei vergessen: Kritisches Fühlen.

„We don’t know that most of our feelings are not our feelings but feelings that we have inherited through daily programming.” – Eric Weinstein in Episode 39 von “Verdict with Ted Cruz”.

Denn in Anbetracht derselben Fakten und Informationen können verschiedene Emotionen zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen. Selbst nachdem man die Informationen kritisch hinterfragt hat, bleibt also noch eine emotionale Komponente bestehen, die uns unterbewusst fehlleiten kann.

Eines der wichtigsten Konzepte im Bereich des kritischen Fühlens ist die Russell-Konjugation – benannt nach dem britischen Philosophen Bertrand Russell.

Wörter kann man nicht nur durch ihre faktische Bedeutung definieren. Auch der emotionale Gehalt eines Begriffes spielt eine entscheidende Rolle.

Ein Kapitalist wird im gesellschaftlichen Bewusstsein wesentlich negativer wahrgenommen als  jemand, der an die positiven Effekte der freien Marktwirtschaft glaubt. Im Grunde sind die beiden Begriffe auf einer faktischen Ebene Synonyme, auf einer emotionalen Ebene sind sie sehr unterschiedlich.

Ein zielstrebiger Mensch wirkt in vielen Fällen engstirnig und unflexibel. Es macht aber einen großen Unterschied, ob man ihn als zielstrebig oder engstirnig bezeichnet.

Man kann eine Person als fleißig bezeichnen, man kann sie aber auch als Workaholic bezeichnen.

Diese Beispiele sind ziemlich offensichtlich. Im direkten Vergleich erkennt man sofort, wo die Unterschiede liegen. Nur gibt es diesen direkten Vergleich im Normalfall nicht.

Edward Snowden wird in einem Text entweder als Whistleblower oder als Verräter bezeichnet. In dem Text steht aber nur eines von den beiden Wörtern. Und dieses Wort – samt der emotionalen Botschaft dahinter – nehmen wir auf. Wer sich nicht im kritischen Fühlen übt, wird sich in der Regel nicht auf die Suche nach emotional fehlleitenden Wörtern machen.

Die größte Krux der Russell-Konjugation: Ein konservativ denkender Bürger konsumiert ganz andere Medien als ein sehr fortschrittsorientierter Denker. Selbst wenn die Medien der kritisch denkenden Betrachtung standhalten und faktisch richtige Informationen liefern, ist ihre emotionale Herangehensweise in der Regel sehr unterschiedlich.

Dadurch wird die Diskussion andersdenkender Menschen enorm erschwert. Sie arbeiten zwar beide mit denselben Fakten, haben aber eine ganz andere emotionale Beziehung zu diesen Fakten. In der Diskussion kommt schließlich genau das zum Vorschein – anstatt sachlich zu argumentieren, fühlt sich jeder emotional angegriffen.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://www.edge.org/response-detail/27181

https://www.youtube.com/watch?v=1CCde6TAKdw&feature=youtu.be&t=2932