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Posts tagged Sprache
Koffer-Wörter

Der Begriff der Koffer-Wörter stammt ursprünglich vom US-amerikanischen Informatiker Marvin Minsky.

Koffer-Wörter sind Begriffe, die so breit gefächert und ungenau definiert sind, dass man im Grunde jedes Konzept in sie hineinpacken kann – sie sind Koffer, die das Konfuse scheinbar konkret machen.

Die Betonung liegt auf scheinbar. Denn Koffer-Wörter sind im Alltag durchaus nützlich – man spricht von Rationalität, Bewusstsein, Wahrnehmung und jeder weiß so circa, was gemeint ist.

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Füllwörter über Zeitformen

Sprache ist eine Sache der Praxis. Das wird nirgends deutlicher als in der Schule, wo die Lernenden oft selbst nach mehreren Jahren der Übung kein ordentliches Gespräch in der jeweiligen Fremdsprache führen können.

Ein Grund dafür ist sicherlich der falsche Fokus des Kurrikulums.

„While the scholastic-minded will memorize declensions, the a-Platonic nonnerd will acquire, say, Serbo-Croatian by picking up potential girlfriends in bars on the outskirts of Sarajevo, or talking to cabdrivers, then fitting (if needed) grammatical rules to the knowledge he already possesses.” - Nassim Taleb in seinem Buch “The Black Swan”.

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Sprache – Schönheit im Vergleich

Welchen Regeln folgt die Konjugation der Verben? Wie bildet man die diversen Zeitformen? Wie dekliniert man die Nomen?

Diese Fragen stellt sich jeder Lernende auf dem Weg zur Beherrschung einer neuen Sprache. Das Absurde daran: Die meisten Muttersprachler können diese Fragen nicht beantworten.

Man muss sich als Muttersprachler nie Gedanken über die grammatikalischen Merkmale der eigenen Sprache machen – man beherrscht sie ohnehin nahezu perfekt.

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Distanz der Schlussfolgerung

Evolutionär gesehen verbrachten wir Menschen den Großteil unserer Zeit in Stämmen mit nicht mehr als 200 Menschen. Die Kultur und das Wissen in diesen Stämmen wurden vor allem durch Sprache und Erinnerung miteinander geteilt.

„In a world like that, all background knowledge is universal knowledge. All information not strictly private is public, period.” - Eliezer Yudkowsky in seinem Buch „Map and Territory”.

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Das darf Wissenschaft nicht

In den letzten Wochen und Monaten werden vermehrt Stimmen laut, dass wir unsere Meinungs- und Sprachfreiheit verlieren. Es gibt immer mehr Dinge, die man nicht sagen kann, ohne mit gesellschaftlicher Ablehnung konfrontiert zu werden – so die Kritiker.

Wie steht es also um die Freiheit des Denkens?

Ich weiß es nicht. Eine hypothetische Frage, die mir in diesem Zusammenhang aber sehr nützlich erscheint: Könnten wir X sagen, wenn die Wissenschaft uns X beweisen würde.

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Sei unsicher und langsam

Viele Denkwerkzeuge im ideenraum fokussieren sich auf das Individuum. Es geht darum, wie man selbst besser denken, besser reflektieren und schlussendlich besser handeln kann.

Noch mächtiger als individuelles Denken ist das Denken in Teams und Organisationen. Wer es regelmäßig schafft, konstruktive Kritik von anderen einzuholen, wird davon auf kurz oder lang enorm profitieren.

Ein häufiges Problem besteht darin, dass die anderen einfach keine konstruktive Kritik von sich geben. Gerade, wenn man sich in einer Führungsposition befindet oder sehr selbstbewusst wirkt, wagen viele nicht, die Stimme der Kritik zu heben.

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Signale des Beifalls

«Wir brauchen mehr hochwertige Bildung. Technologische Entwicklungen müssen weitaus demokratischer ablaufen. Wir müssen uns um die Verlierer des Systems kümmern.

… »

Wahrscheinlich stimmen die meisten Leser den oben angeführten Aussagen intuitiv zu. Tatsächlich ist genau das auch der Zweck dieser Aussagen.

Eliezer Yudkowsky bezeichnet derartige Statements als Signale des Beifalls. In fast jeder bekannten Rede, jedem berühmten Appel findet man Signale des Beifalls. Es handelt sich dabei um Sätze, die keine Information beinhalten, sondern einfach nur dazu da sind, Zustimmung vom Publikum zu erhalten.

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Euklid, Taxis und die Sprache

Bevor man die anfangs gestellte Frage beantworten kann, muss man klarstellen, ob man in der euklidischen Geometrie oder der Taxi-Geometrie messen soll.

Und dieses Beispiel dient nur zur harmlosen Illustration eines Phänomens, welches uns im Alltag ständig begleitet. Begriffe sind zu ungenau definiert. Das begünstig beispielsweise Betrüger, die sich die Flexibilität von Begriffen zu ihren Gunsten zurechtbiegen.

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Metonymie - ein Denkwerkzeug

Ein wichtiger Aspekt des Ideenraums sind Denkwerkzeuge, die das Denken und Kommunizieren erleichtern und verbessern.

Ein derartiges Werkzeug ist das Stilmittel der Metonymie.

Ich wurde auf dieses Stilmittel erstmals durch den Ökonomen Michael Munger aufmerksam, der es in seinem Artikel „After the Virus, Universities Will Survive“ sehr ausführlich verwendet.

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2 Regeln der Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit ist ein essentieller Faktor für durchschlagende Argumente und erfolgreiche Diskussionen. Egal wie durchdacht und intellektuell hochwertig das eigene Plädoyer – wenn es niemand hört, ist es nutzlos.

Dieser Fakt spielt vor allem für Anwälte eine elementare Rolle. Nur wenn der Richter und andere Parteien die Argumente des Anwalts vollumfassend wahrnehmen, kann er das Beste für sich und seinen Klienten herausschlagen.

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Kritisches Fühlen – Russell-Konjugation

Kritisch denken, Fakten recherchieren, Informationen hinterfragen. Gerade in einer Zeit, wo wir von Informationen nur so bombardiert werden, spielt die Tugend des kritischen Denkens eine immer wichtigere Rolle.

Was wir dabei vergessen: Kritisches Fühlen.

„We don’t know that most of our feelings are not our feelings but feelings that we have inherited through daily programming.” – Eric Weinstein in Episode 39 von “Verdict with Ted Cruz”.

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Befehl, Opfergaben und die Flucht

Das Kommunikationsmittel des Befehls ist älter als die Sprache. Jedes Kind, das der Sprache nicht mächtig ist, aber auch Hunde und andere Lebewesen verstehen Befehle.

Der Befehl leitet sich – so die These von Elias Canetti in seinem Werk „Masse und Macht“ – von der Flucht ab. Ein Tier flüchtet vor dem Feind, weil es bedroht wird. Der Angriff des Feindes ist damit die ursprünglichste Form des Befehls. Dieser Zusammenhang wirkt auf den ersten Blick etwas weit hergeholt, doch tatsächlich hat der Fluchtbefehl viel mit den Befehlen unseres Alltags gemein.

Zum einen gibt es eine klare Hierarchie. Der Feind steht in Sachen Macht ganz eindeutig über seinem potentiellen Opfer. So auch beim Befehl.

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Trauma & institutioneller Vertrauensbruch

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Verständnis von psychologisch traumatischen Ereignissen entscheidend weiterentwickelt. Ein wichtiger Schritt in dieser Entwicklung ist die Erkenntnis, dass die Stärke des Traumas nicht nur von der Drastik des jeweiligen Events abhängt. Vor allem in Bezug auf Missbrauch hängt das Trauma eng mit der Beziehung zwischen Opfer und Täter zusammen.

In Ihrem Paper „Institutional Betrayal“ beschreiben die beiden Psychologinnen Carly Smith und Jennifer Freyd, dass der nächste entscheidende Schritt zum Verständnis von Traumata und zum Kampf gegen Missbrauch eine Wahrnehmung der Rolle von Institutionen ist.

Wenn sich ein Opfer an eine Institution wendet, von dieser aber nicht ernst genommen wird, keine adäquate Hilfe bekommt, oder gar aktiv stigmatisiert wird, dann führt das zu einem ähnlichen Vertrauensbruch wie in einer persönlichen Beziehung. Schließlich muss ein enormes Vertrauen bestehen, damit sich eine Person überhaupt überwindet, diese intime Angelegenheit vor die Augen und Ohren der Institution zu bringen.

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Sowjetunion – die stille Erosion

Als weiteres Beispiel nennt Alexei Yurchak einen Teenager der im privaten Briefwechsel mit einem Freund von seiner Liebe zum Kommunismus schreibt, davon, dass im Aufbau des Kommunismus seine Lebensaufgabe liege, im gleichen Atemzug aber die Beatles und Elvis Presley verherrlicht.

Der Fokus auf die Formen und Phrasen in der Sprache und auf das sichtbare Handeln im Einklang mit der Parteilinie erlaubte vielen Bewohnern der Sowjetunion, sich bis zum Schluss als gute sowjetische Bürger mit kommunistischen Idealen zu fühlen. Auf dieser Basis wirkte die Sowjetunion auch von innen heraus wie etwas Unbezwingbares. Gleichzeitig führte die ständige Uminterpretation der Phrasen und Formen dazu, dass ein sehr abrupter und widerstandsloser Zusammenbruch des Systems möglich und imminent war.

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Notwehr und Sprachgewalt

Wenn plötzlich jeder meint, das Recht zu haben, sich von anderen Meinungen und Aussagen gewalttätig angegriffen zu fühlen, und zu Mitteln der Notwehr greifen zu können, dann kann man es mit sinnvollen Debatten auch gleich lassen.

Es sagt sich leicht, dass Sprache Gewalt ist und das ist in gewissen Fällen auch richtig. Wenn aber die Folgen dieser Gleichsetzung von Sprache und Gewalt derartig drastische Konsequenzen haben, wie wir sie vielerorts erleben, ist es besser, wenn wir Sprache Sprache und Gewalt Gewalt sein lassen.

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Stiob – eine gefährliche Form der Ironie

Die Bezeichnung “Stiob” kommt aus dem Russischen und beschreibt eine spezielle Form der Ironie, die in der Sowjet Zeit entwickelt wurde. Es handelt sich um Ironie, bei welcher man sich so stark mit einer Idee oder Gruppe identifiziert, dass dem Zuseher, Leser oder Hörer nicht mehr klar ist, ob man ein tatsächlicher Unterstützer, ein Kritiker oder eine Mischung aus beiden ist. Ein gefährliches Instrument von Populisten.

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