Politics & Policy - die österreichische Koalition
Politics without policy is empty and politics without policy is blind.
Dieses Zitat von Ian Shapiro, einem bekannten Politikwissenschaftler der Universität Yale, bezieht sich auf die oftmals starke Trennung zwischen denjenigen Wissenschaftlern und Politikern, die sich mit den Machtspielen beschäftigen (Politics) und jenen, die sich mit den optimalen politischen Maßnahmen befassen (Policy).
Wie Constantin Seibt in seinem Essay „Der politische Troll“ beschreibt sind Populisten wie Donald Trump oder Boris Johnson ein Produkt von gelungenen Politics. Beide verstehen es auf opportunistische Art und Weise die Machtspiele der Politik zu gewinnen.
Die meisten würden den starken Rechtsruck, den die letzten Jahre gebracht haben, ebenfalls als Produkt gelungener Politics betrachten.
2019 haben wir sowohl bei der Europaparlamentswahl als auch bei der Nationalratswahl in Österreich erlebt, dass die grünen Parteien, getrieben vom großen Thema Klima, enorm stark zulegen konnten.
Ohne den Grünen in Deutschland oder Österreich zu nahe treten zu wollen, war ihre drastische Erstarkung vor allem auch auf die starke mediale und gesellschaftliche Präsenz ihres Kernthemas zurückzuführen. Die Spitzenpolitiker und geschickte Wahlkampfaktionen waren hier viel weniger ausschlaggebend als bei den Erfolgen anderer Parteien.
In Österreich erprobt sich nun eine Regierung bei der zwei sehr unterschiedliche Wahlgewinner koalieren. Der größere der beiden Gewinner konnte vor allem durch gelungene Politics überzeugen, getrieben von Sebastian Kurz. Der kleine Partner im Bunde kam durch Policy zu seinen Erfolgen, getrieben vom Klimathema.
Beide Parteien durften sich im Wahlprogramm ihre Erfolgsfaktoren großteils behalten. Betrachtet man es aber rein aus der Brille von Policy und Politics, riskieren die Grünen viel mehr.
Dies zeigt sich auch daran, dass Werner Kogler ganz klar sagen kann, was für ihn am Regierungsprogramm bitter ist. Gernot Blümel hingegen ist einer derartigen Aussage im gestrigen ZIB2 Interview geschickt ausgewichen. Denn natürlich ist das Klimapaket nicht das, was die ÖVP in einer Koalition mit beispielsweise der FPÖ eingeführt hätte, dennoch dürfte es nur sehr wenige Kernwähler kosten. Bei solch einem inhaltlichen Thema Abstriche zu machen, ist wohl kein Problem, solange man weiterhin den populären Sebastian Kurz und das machtpolitisch so praktische Thema der Migration hat.
Einer Partei die hauptsächlich auf Basis ihrer Policy gewählt wurde trifft jede inhaltliche Abweichung vom Wahlprogramm viel härter.
Durch die Brille von Politics und Policy, hat also die ÖVP die eindeutig vorteilhaftere Situation.[i]
Zum Weiterlesen & Schauen:
https://www.youtube.com/watch?v=ly4mUgbVEuc
https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14036880/Gernot-Bluemel-ueber-das-Regierungsprogramm/14618040
https://www.republik.ch/2019/12/21/der-politische-troll
[i] Natürlich kann und muss man eine politische Situation aber aus mehr als nur einer Brille betrachten. Dennoch ist die Brille von Politics und Policy, Machtpolitik und Inhalten, eine oft sehr aufschlussreiche und spannende.