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Umgang mit Komplexität – die Gefahr der Generalität

„For particulars, as everyone knows, make for virtue and happiness; generalities are intellectually necessary evils.”

Was Aldous Huxley mit diesem Zitat in Brave New World sagen und kritisieren will ist offensichtlich. Die Menschen interessieren sich für Einzelfälle. 10 Tote in der eigenen Heimatstadt sind eine Tragödie, tausende Tote in einem Land fernab von uns eine Statistik.

Generalität wird von Huxley positiv dargestellt und damit spricht er für die Wissenschaft, deren Ziel darin besteht allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu erkennen.[i]

Viel gefährlicher als die Reduzierung von komplexen Thematiken auf Einzelfälle ist aber das zu starke Generalisieren. Das Erkennen von einfachen Gesetzen, wo es keine einfachen Gesetze gibt. Der Versuch von einer komplexen Welt ein einfaches Modell zu kreieren.

Dem, der nur die Einzelfälle betrachtet, ist oft bewusst, dass er nicht die gesamte Komplexität durchschaut. Selbst wenn dieses Bewusstsein nicht besteht, kann man ihm zumindest mit Hilfe anderer Einzelfälle zeigen kann, dass sein Blick nicht die ganze Realität erfasst.

Es ist hingegen weitaus schwerer jemandem zu überzeugen, dass seine Perspektive zu einfach ist, wenn er diese Perspektive als einfache Allzweckerklärung für die komplexen Thematiken dieser Welt heranzieht.

Diese Person hat schon ein Konzept für sich gefunden. Diese Person hat nicht mehr das Gefühl einer gewissen Verwirrung oder Unsicherheit. Diese Person fühlt sich wohl in ihrer scheinbaren Allwissenheit.

Die Annahme der Erkenntnis, dass dieses Konzept falsch ist, bedeutet vor allem auch einen Verlust dieser Sicherheit und dieses Komforts. Im Sinne der Verlustaversion ist es psychologisch vielfach schwerer etwas zu verlieren, als einfach nur zu ergänzen.

Oder als Metapher: Dem Träger einer Brille, die das Sichtfeld einschränkt, kann ich den Kopf verdrehen und ihm damit mehr von der Realität zeigen. Egal wie oft ich aber dem Träger einer Brille, die einen Vereinfachungsfilter über die Welt legt, den Kopf verdrehe, mehr Erfahrung wird bei seinen Augen immer nur durch den Filter der Vereinfachung gelangen.

Zum Weiterlesen:

Huxley, Aldous: Brave New World. London: 2008.

Harari, Yuval: 21 Lessons for the 21st Century. London: 2018.

https://www.ted.com/talks/chimamanda_ngozi_adichie_the_danger_of_a_single_story/transcript?language=en

[i] Natürlich darf man Brave New World und Huxley aber nicht Unrecht tun. Ein großes Thema des Buches ist, dass eine Welt, welche sich auf Glück (im Sinne von Happiness) und Komfort als alleiniges Ziel fokussiert, nicht lebenswert ist. Er kritisiert also sehr wohl auch die zu starke Vereinfachung.