Potentieller Wettbewerb – Facebook
2014 übernahm Facebook den Messenger-Service WhatsApp für 19 Milliarden US-Dollar, 2 Jahre zuvor hatte Facebook bereits Instagram für 1 Milliarde US-Dollar übernommen. Auch die anderen großen Tech-Konzerne rund um Google, Amazon oder Microsoft zeichnen sich schon seit Jahren durch eine sehr rege Akquisitionsaktivität aus. Gegenwind von Kartellämtern gibt es, vor allem in den USA, nur selten.
Grund dafür ist, dass GAFA et al. in der Regel sehr junge Unternehmen übernehmen, es handelt sich also nicht um die klassischen Fälle des Kartellamts bei denen ein großer Konzern einen anderen Großkonzern übernimmt.
Wie Mark Glick und Catherine Ruetschlin in ihrem Paper „Big Tech acquisitions and the potential competition doctrine: the case of facebook” beschreiben trifft auf die typischen Start-Up Übernahmen von Google und Co. eigentlich das Kartellrecht in Bezug auf potentiellen Wettbewerb zu. Doch dieses hat sich seit seiner Entstehung in den 1960er Jahren zu einem vollkommen unbrauchbaren Stück Legislative entwickelt.
Ursprünglich folgten die Regelungen zum potentiellen Wettbewerb einem strukturellen Konzept. Sobald die Akquisition eines Start-Ups also zu einer höheren Konzentration im Markt führt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Wettbewerbsschwächung so groß, dass die Akquisition grundsätzlich abzulehnen ist. Darin unterscheidet sich das strukturelle Konzept von einem effektorientierten Konzept. Bei letzterem muss das Gericht eine ganz genaue Analyse dahingehend durchführen, inwiefern die Akquisition die konkrete Wettbewerbssituation beeinflusst.
Damals lag also die Beweispflicht auf der Seite der Unternehmen, die zeigen mussten, dass so eine Wettbewerbsschwächung aufgrund der strukturellen Marktveränderung nicht zu erwarten war.
Im Laufe der Jahre haben die Entscheidungen des obersten Gerichtshof in den USA aber dazu geführt, dass die Beweislast immer stärker auf die Behörden fiel und gleichzeitig immer höher wurde, sodass es heute fast unmöglich ist, das Gesetz in Bezug auf potentiellen Wettbewerb zur Verhinderung irgendeiner Akquisition im Digitalbereich zu benutzen.
Beispielsweise muss das Start-Up spezielle dafür geeignet sein, den Markt, um den es geht, zu disruptieren. Nur wenn das Start-Up also sehr speziell ist und sich durch ganz spezifische Eigenschaften als zukünftig wichtiger Wettbewerber identifizieren lässt, ist die Doktrin des potentiellen Wettbewerbs anzuwenden. Bei Instagram war das beispielsweise nicht der Fall, weil es zum Zeitpunkt der Akquisition auch viele andere Foto-Apps gab.
Aus diesem Grund regen Mark Glick und Catherine Ruetschlin dazu an, die Beweislast wieder auf die Unternehmen zu übertragen und dem strukturellen Ansatz mehr Raum zu geben. Aktuell scheint es Usus zu sein, eine Akquisition nicht zu blockieren, wenn man sich nicht ganz sicher ist, dass der Wettbewerb durch die Akquisition geschwächt wird. Besser wäre es, die Akquisitionen zu blockieren, wenn man sich nicht ziemlich sicher, dass die Akquisition den Wettbewerb nicht schwächt.
So wie John Maynard Keynes es einmal gesagt haben soll, ist es besser ungefähr richtig zu liegen, als genau falsch.
Zum Weiterlesen:
https://www.ineteconomics.org/research/research-papers/big-tech-acquisitions-and-the-potential-competition-doctrine-the-case-of-facebook