Absurdität – Heuristik oder Bias
Die Abstemplung von absurden Aussagen ist eine hilfreiche kognitive Heuristik. Wenn ein Statement unseren Erfahrungen widerspricht, halten wir es für absurd und müssen uns so nicht länger damit herumschlagen.
In der Regel ist diese Heuristik äußerst nützlich. Unter bestimmten Voraussetzungen wird die Absurditätsheuristik aber zu einem Absurditätsbias.
Wie Eliezer Yudkowsky betont, sind vor allem zwei Faktoren für eine fehlerhafte Anwendung der Absurditätsheuristik entscheidend.[i]
Wenn unsere oberflächliche Einschätzung der Absurdität von grundlegenden Gesetzen oder Informationen widerlegt wird, müssen wir unseren Standpunkt ändern. Wenn ich ein Objekt von mir wegwerfe, kommt es in der Regel nicht zurück. Das Gegenteil zu behaupten, wäre absurd. Wenn ich es allerdings mit einem Bumerang zu tun habe und physikalisch erklären kann, wieso er zurück kommt, sollte man den physikalischen Erklärungen mehr Glauben schenken als der oberflächlichen Annahme, dass so ein Verhalten absurd und unmöglich ist.
Das mag in Bezug auf den Bumerang offensichtlich scheinen. Wenn dir aber jemand in 50 Jahren physikalisch korrekt erklärt, wie er Teilchen teleportiert, wirst du es wahrscheinlich solange als absurd abtun, bis du die Teleportation selbst gesehen hast. Wenn es also um wirklich Absurdes geht, ist es keinesfalls leicht, sich von Naturgesetzen überzeugen zu lassen.
Genauso mit Statistiken, Fakten und anderen verlässlichen Informationen. Auch sie sollten oberflächliche Absurditätsanschuldigungen überbieten, werden aber oft ignoriert, wenn sie nicht in die mentalen Konstrukte einer Person hineinpassen.
Der zweite Umstand, der aus der Absurditätsheuristik einen Absurditätsbias macht, ist ein unsicheres Umfeld. Die Zukunft ist derartig flexibel und voller Möglichkeiten, dass man aus den bisherigen Lebenserfahrungen wenige bis gar keine relevanten Absurditätsanschuldigungen ableiten kann.[ii]
Insbesondere bei Debatten rund um zukünftige Technologien ist die Absurditätsanschuldigung in aller Regel absolut fehl am Platz – und führt oft zu Statements, die ex-post äußerst amüsant wirken.[iii]
Zum Weiterlesen:
https://www.lesswrong.com/posts/P792Z4QA9dzcLdKkE/absurdity-heuristic-absurdity-bias
Yudkowsky, Eliezer: Map and Territory. Rationality: From AI to Zombies. Berkeley: 2018.
[i] Er spricht von drei Faktoren, ich erkenne in seinem Text „Absurdity Heuristic, Absurdity Bias“ aber nur zwei unterschiedliche Phänomene.
[ii] Wer also in Zukunftsprognosen mit Argumenten der Art „Das ist absurd.“ konfrontiert wird, sollte äußerst skeptisch sein.
[iii] Zum Beispiel: „Heavier-than-air flying machines are impossible." - Lord Kelvin. Oder: "The cinema is little more than a fad. It's canned drama. What audiences really want to see is flesh and blood on the stage." - Charlie Chaplin.