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Formen der „Labilen Welt“

Dieser Artikel ist der zweite in einer dreiteiligen Reihe zur Hypothese der „Labilen Welt“. Zum Verständnis ist es hilfreich, zuerst den Artikel «Hypothese der „Labilen Welt“» zu lesen.

Es gibt verschiedene Arten von schwarzen Kugeln, die unter aktuellen Umständen das Ende der Menschheit bedeuten würden. Nick Bostrom spricht in seinem Paper „The vulnerable world hypothesis.“ von vier Formen derartiger Kugeln.

Typ 1 wurde mit dem Gedankenspiel der Atombomben bereits illustriert. Damit ist eine Technologie gemeint, die ein enormes destruktives Potential hat und gleichzeitig einfach zu konstruieren ist. Wenn also eine Atombombe von jedem Physikstudenten gebaut werden könnte, hätten wir es mit einer schwarzen Kugel von Typ 1 zu tun.

Dabei gibt es einen inversen Zusammenhang zwischen der Einfachheit dieser Technologie und ihrer Wirkung. Eine Technologie, die so einfach ist, dass jeder Krimineller sie verwenden kann, stellt auch bei einem moderaten Level an Destruktionspotential eine schwarze Kugel dar. Denn selbst wenn diese Technologie bei ihrer Anwendung nur eine einzige Stadt zerstören kann, werden sich genügend Anwender finden, um die meisten Städte der Erde zu vernichten.

Auch eine Technologie die etwas mehr Expertise erfordert – sodass beispielsweise eine größere Terrormiliz einige Monate mit der Umsetzung beschäftigt ist – ist eine schwarze Kugel. Allerdings nur, wenn ihr destruktives Potential dementsprechend höher ist.

Für Typ 2 liefert abermals die Atombombe einen passenden Gedankenraum: Im Kalten Krieg hat sich ein Gleichgewicht des Schreckens etabliert, das einer Eskalation des Konfliktes ganz entscheidend entgegenwirkte. Wichtig dafür waren Technologien, die mit ziemlich hoher Sicherheit, einen Gegenschlag bei einem Erstangriff ausgelöst hätten.

Was aber, wenn es diese Technologien nicht gegeben hätte? In diesem Fall wäre der Erstangriff die bei weitem attraktivste Option. Der Gegner wäre besiegt und die eigene Gefährdung verschwunden. Eine schwarze Kugel von Typ 2 zeichnet sich dadurch aus, dass die Technologie zwar nur von wenigen Supermächten angewendet werden kann, diese Supermächte aber sehr starke Anreize haben, die Technologien auch tatsächlich anzuwenden.

Für die dritte Form wenden wir unseren Blick auf das Thema des Klimawandels. Der Klimawandel hat destruktives Potential, die Extinktion der Menschheit scheint aber noch weit entfernt zu sein. Was aber, wenn sich herausstellt, dass das gesamte System ab einem gewissen Punkt kippt und die Temperatur auf der Erde mit einem Schlag um 20 Grad Celsius zunimmt.

In diesem Fall wären unsere umweltschädlichen Technologien die schwarze Kugel. Dieses Szenario zeichnet sich auch dadurch aus, dass niemand in irgendeiner Weise bösartig agieren muss. Jeder verfolgt seine Eigeninteressen und richtet damit einen minimalen Schaden an. Durch die Summe dieser Schäden kommt es aber schließlich zur Katastrophe.

Die vierte Variante – Bostrom spricht in diesem Zusammenhang vom Typ 0 einer schwarzen Kugel – hat mit der menschlichen Ignoranz zu tun. 1942 hatte Edward Teller, einer der Physiker des Manhattan-Projekts, eine wichtige und glücklicherweise fehlerhafte Idee: Eine Atombombe würde Temperaturen wie im Zentrum der Sonne kreieren und im Zuge einer unaufhaltsamen Kettenreaktion die Welt zerstören. Als im Zuge des Trinity-Tests die erste Atombombe explodierte, konnte seine Vermutung nicht bestätigt werden.

Doch abermals ist die kontrafaktische Geschichte nicht sonderlich unplausibel. Wenn Edward Teller doch recht gehabt hätte, dann wäre im Zuge des Manhattan-Projekts die Extinktion der Menschheit realisiert worden.

Diese Form der schwarzen Kugel ist mitunter am schwersten zu kontrollieren, da man das destruktive Potential der Technologie erst erkennt, wenn es schon zu spät ist. Es entspringt der menschlichen Ignoranz einiger relevanter Faktoren und ist damit im Grunde nie zu 100% auszuschließen.

Was also tun, um eine schwarze Kugel zu verhindern? Was tun, um die „Labile Welt“ zu retten? Diesem Thema wenden wir uns im morgigen Artikel zu.

Zum Weiterlesen:

https://nickbostrom.com/papers/vulnerable.pdf