noah leidinger

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Irrationalität & Inflation

Was spricht eigentlich gegen eine Inflation von 0 Prozent? Ökonomen und Politiker sprechen immer wieder davon, dass man eine Inflationsrate von 2-3% braucht, damit die Wirtschaft perfekt funktioniert.

Dabei sollte die Inflation doch eigentlich gar keine Auswirkung auf die Wirtschaft haben. Die Preise nehmen zwar zu, doch die Löhne und Gehälter müssten auch im gleichen Ausmaß ansteigen.

Denn ein rational agierendes Unternehmen passt Preise und Löhne der Inflation an. Ein rational agierender Arbeiter wiederum verlangt mehr Gehalt, wenn die Inflation zunimmt.

Das Problem: viele Arbeitgeber sind nur fast rational und viele Arbeitnehmer haben ein falsches Verständnis von Inflation.

So beschreiben George A. Akerlof et al. in ihrem Paper „Near-Rational wage and price setting and the optimal rates of inflation and unemployment”, das eine niedrige Inflationsrate die Arbeitslosigkeit senken kann, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht voll rational mit Inflation umgehen.

Die meisten Unternehmen bauen Inflation nur ungefähr in ihre Gehaltsberechnungen und Preise ein. Sie optimieren das Gehalt und die Preise also nicht vollkommen rational auf Basis der Inflation. Je geringer die Inflation, desto mehr wird sie in der Preis- und Lohngestaltung vernachlässigt. Tatsächlich spielen hier viele zwischenmenschliche Faktoren eine Rolle, die in klassischen ökonomischen Modellen nicht berücksichtigt werden. So empfehlen viele Managementhandbücher, die Löhne nicht automatisch mit der Inflation anzuheben. Hingegen wird vorgeschlagen, alle Lohnerhöhungen als Ergebnis guter Leistungen und Performance zu verkaufen.

Doch selbst Unternehmen, die eigentlich ganz rational agieren, werden ihre Löhne in vielen Fällen nicht der Inflation entsprechend anpassen. Der Grund: In diversen Studien und Befragungen hat Robert Shiller festgestellt, dass die meisten Menschen (77% der befragten Amerikaner) die Inflation als negativ für ihre Kaufkraft ansehen. Nur 12% der Ökonomen sind dieser Meinung, da Inflation ja im gleichen Ausmaß mit den Preisen auch die Löhne erhöhen sollte und so wirkt sich Inflation eigentlich nicht negativ auf die Kaufkraft aus. Doch die meisten Arbeiter erkennen den Zusammenhang zwischen Inflation und der gesteigerten Nachfrage für ihre Arbeitskraft nicht. Sie erkennen damit auch nicht, dass Sie mehr Geld verlangen können, wenn die Inflation höher wird. Das führt dazu, dass ein rationaler Unternehmer in Zeiten der Inflation seinen Mitarbeitern zwar höhere Löhne zahlt, da sie dadurch motiviert werden, aber nicht in dem Ausmaß in welchem die Inflation das verlangen würde.

Sowohl die Irrationalitäten der Arbeitnehmer als auch die der Arbeitgeber sind besonders bei niedrigeren Inflationsraten ausgeprägt, da die Inflation in den eigenen Entscheidungen dann nicht so eine große Rolle spielt. Wenn die Inflation allerdings sehr hohe Werte annimmt, werden sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber diesen Faktor wieder rationaler in die eigenen Entscheidungen miteinfließen lassen.

Die leichte Irrationalität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Betrachtung von Inflation führt also dazu, dass die Arbeitgeber geringere Preise verlangen und geringere Löhne bezahlen, als das auf Basis des Anstiegs der Geldmenge nötig wäre. Dadurch setzen sie mehr Produkte ab und stellen mehr Arbeiter an und so führt eine Inflationsrate im niedrigen einstelligen Bereich zu der geringsten Arbeitslosigkeit.

Zum Weiterlesen:

https://www.washingtonpost.com/blogs/wonkblog/files/2013/10/nearrational.pdf

https://eml.berkeley.edu/~akerlof/docs/inflatn-employm.pdf