noah leidinger

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Kulturalismus

„Wäre es nicht Österreich, wo die Corona-Zahlen jetzt explodieren, sondern irgendein weit entferntes Land, dann würde man in Österreich jetzt sagen: Naja, die sind nun mal kulturell, medizinisch und verwaltungstechnisch nicht so weit wie wir.“ – Tweet von Florian Aigner (@florianaigner) vom 19. September.

Der Physiker Florian Aigner deutet mit diesem Tweet auf ein Phänomen hin, welches auch Yuval Noah Harari in seinem Buch „Sapiens“ thematisiert: Während Rassismus in den meisten gesellschaftlichen Kreisen mit Ablehnung begegnet wird, ist der Kulturalismus weit verbreitet.

Die biologische Differenz zwischen Rassen wird also durch eine historische Differenz unterschiedlicher Kulturen ersetzt.

Die „Anderen“ sind nicht mehr aggressiv und kriminell, weil sie einer anderen Rasse angehören. Sie sind aggressiv und kriminell, weil das „in ihrer Kultur nun einmal so üblich ist“.

„People continue to conduct a heroic struggle against racism without noticing that the battlefront has shifted, and that the place of racism in imperial ideology has now been replaced by ‘culturism’.” - Yuval Noah Harari in seinem Buch „Sapiens“.

Der Vergleich scheint übertrieben? Es gibt nun einmal kulturelle Unterschiede, im Gegensatz dazu sind ethnische Unterschiede offensichtlicher Unsinn?

Das mag stimmen. Vor 200 Jahren hätten aber viele über Rassismus genau dasselbe gesagt. Genauso vermeintlich offensichtlich kulturelle Unterschiede in unseren Augen sind, waren ethnische Unterschiede in den Augen unserer Vorfahren mehr als offensichtlich. Womit wir wieder beim Thema der retrospektiven Scheinheiligkeit wären.

Zum Weiterlesen:

Harari, Yuval: Sapiens. A brief history of humankind. Toronto: 2015.