noah leidinger

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Modularität als Entscheidungstool

Die Fähigkeit, sich in großen Gruppen zu organisieren und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, gilt als eine der größten Stärken unserer Spezies. Natürlich habe auch diverse andere Lebewesen die Macht von Gruppen erkannt. Denn Entscheidungen des Individuums sind den Entscheidungen von größeren Organisationen oft weitaus unterlegen.

Dieser Zusammenhang lässt sich auch mathematisch sehr anschaulich darstellen. Beispielweise mit dem Condorcet-Jury-Theorem. Wenn jedes Individuum mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% die richtige Entscheidung trifft, dann trifft eine große Gruppe – gemäß dem Gesetz der großen Zahlen – bei einer Mehrheitsabstimmung mit ziemlicher Sicherheit auch die richtige Entscheidung.

Nach diesem Theorem führt also jedes Individuum zu einem Anstieg der Entscheidungskraft.[i]

In der Praxis organisieren wir Menschen uns aber in kleinen Gruppen. Selbst innerhalb der Familie oder dem Freundeskreis tendieren wir dazu, mit manchen Personen viel mehr zu interagieren als mit anderen. Ein ähnliches Verhalten zeigen e.g. Fische oder Vögel.

Durch diese Modularität innerhalb von Gruppierungen wird der Informationsfluss gestört und nach dem Modell von Condorcet und unseren bisherigen Betrachtungen hat das schlechtere Entscheidungen zu Folge. Beispielsweise kann eine unglückliche Gruppenaufteilung dazu führen, dass sich schlussendlich eine Minderheit durchsetzt.[ii]

Genau hier kommen Albert Kao und Iain Couzin mit ihrem Paper „Modular structure within groups causes information loss but can improve decision accuracy“ ins Spiel.

Das bisherige Modell geht davon aus, dass jedes Individuum den Sachverhalt aus einer neuen Perspektive betrachtet und der Gruppe damit einen Mehrwert an Intelligenz liefert. In der komplexen Realität sind die Perspektiven von Individuen aber sehr stark vernetzt. Natürlich betrachtet jeder die Dinge aus einem speziellen Blickwinkel, doch ein Großteil der Informationen unterscheidet sich nicht sonderlich.

In besonders großen Gruppen kommt es dadurch zu einem negativen Gruppendenken. Die individuellen Perspektiven werden großteils ignoriert und man fokussiert sich auf wenige Informationen, die allen gemein sind. Ab einem gewissen Punkt ist also die Größe der Gruppe nicht mehr hilfreich, sondern schädlich für die Entscheidungen.

Durch eine Aufteilung in kleine Gruppierungen kann dieser Effekt umgangen und die kollektive Entscheidung verbessert werden. Was in einer einfachen Welt Informationsverlust bedeuten würde, bedeutet in unserer komplexen Welt einen Anstieg an Entscheidungspräzision.

Zum Weiterlesen:

https://royalsocietypublishing.org/doi/pdf/10.1098/rstb.2018.0378

[i] Auch wenn der Einfluss eines einzelnen Individuums immer kleiner wird.

[ii] Was in Bezug auf das besprochene Modell ein Nachteil ist, weil die Mehrheit in diesem Fall mit der höheren Wahrscheinlichkeit richtig liegt.