text

Schatten der großen Anreize

Wer das Beste aus seinen Mitarbeitern, Kollegen und Dienstleistern herausholen will, der muss sie auch ordentlich bezahlen. Die Chance großer Bonuszahlungen motiviert und erhöht so die Leistungsfähigkeit.

Klingt gut, stimmt aber nicht.

Zwar führen hohe Bonuszahlungen und andere monetäre Anreize im Regelfall zu mehr Motivation, mehr Motivation führt aber nicht zwingend zu besserer Performance.[i]

So besagt das Yerkes-Dodson-Gesetz, dass die kognitive Leistungsfähigkeit bis zu einem gewissen Level an Erregung und Motivation ansteigt. Wenn man dieses Level aber überschreitet, wirkt sich übermäßige Erregung negativ auf die Leistungsfähigkeit aus.

Ein weiterer Effekt: Wenn der Einsatz hoch ist, tendieren wir dazu, uns viele Gedanken über die jeweilige Aufgabenstellung zu machen. Dadurch führen wir die Aufgabe nicht mehr automatisiert und unterbewusst, sondern kontrolliert und bewusst durch. Gerade bei Experten ist das automatisierte und intuitive Verhalten dem bewussten durchdachten Verhalten aber oft überlegen.

Dazu kommt, dass große Anreize unseren Fokus verstärken. Das klingt natürlich positiv, führt aber zu eingeschränktem Denken. Gerade beim Lösen von Problemen und kreativen Aufgaben hat ein übertriebener Fokus gravierende Folgen.

Theoretisch betrachtet führt also ein Erhöhen der Anreize nicht zwingend zu einem Anstieg der Leistungen.

Und tatsächlich liefert auch die empirische Sichtweise dieselbe Schlussfolgerung. So präsentieren Dan Ariely und Kollegen im Zuge ihres Papers „Large Stakes and Big Mistakes“ zwei Experimente zu dieser Thematik.

Das erste Experiment wurde in einer ländlichen Stadt in Indien durchgeführt. Im Vergleich zu einer Studie in Westeuropa oder den USA hat dieses Setting einen entscheidenden Vorteil: Man konnte den 87 Teilnehmern einen monetären Anreiz bieten, der bei optimaler Performance dem Sechsfachen ihres Monatsgehalts entsprach.

Die Teilnehmer mussten jeweils verschiedene Aufgaben absolvieren. Manche waren eher physischer Natur, andere fokussierten sich auf die kognitiven Fähigkeiten. Unterschiedliche Teilnehmer bekamen dabei jeweils unterschiedliche Anreize. Manche erhielten nur einen kleinen finanziellen Anreiz, andere einen mittleren und einige bekamen den höchsten Anreiz, der im Optimalfall dem Sechsfachen ihres Monatsgehalts entsprach.[ii]

Und genau jene Teilnehmer mit den höchsten Anreizen zeigten durch die Bank die mit Abstand schwächsten Leistungen.[iii]

Die zweite Studie führten die Wissenschaftler mit Studenten am MIT durch. Bei diesem Experiment schwankten die Anreize zwischen 30 und 300 US-Dollar, was für die Studenten ein durchaus beachtlicher Betrag ist.

Und abermals performten die Teilnehmer mit hohen Anreizen schlechter als jene mit niedrigen Anreizen.[iv]

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://rady.ucsd.edu/faculty/directory/gneezy/pub/docs/large-stakes.pdf

https://timharford.com/2019/11/cautionary-tales-ep-4-the-deadly-airship-race/

[i] Es gibt hier durchaus Ausnahmen. Einige Studien zeigen, dass Menschen, die eine kleine Entlohnung für eine Aufgabe erhalten, nicht mehr leisten als Menschen, die gar keine Belohnung erhalten. Tatsächlich kann sich die kleine Bezahlung sogar negativ auswirken, weil Personen eine Aufgabe ohne Bezahlung teilweise positiver wahrnehmen als eine Aufgabe mit schlechter Bezahlung.

[ii] Es gab jeweils 6 Aufgaben. Der Anreiz pro Aufgabe betrug je nach Teilnehmer 4, 40 oder 400 indische Rupien. Dabei entsprachen die 400 Rupien circa dem Monatsgehalt der Teilnehmer. Wer also alle 6 Aufgaben perfekt absolvierte, bekam das Sechsfache seines Monatslohns.

[iii] Wer die Aufgaben sehr gut absolvierte, bekam den maximalen Lohn (also 4, 40 oder 400 Rupien). Wer die Aufgabe gut absolvierte bekam die Hälfte davon. Wer die Aufgaben weniger als gut absolvierte bekam gar nichts. Die Leistung wurde gemessen, indem man ermittelte, wie viel Prozent der maximalen Bezahlung die Teilnehmer im Durchschnitt erhielten. In der Gruppe mit den extrem hohen Anreizen lag dieser Prozentsatz nur bei 19.5%, bei jenen mit mittleren Anreizen bei 36.7% und bei jenen mit kleinen Anreizen bei 35.4%.

[iv] Dieser Zusammenhang ergab sich bei diesem Experiment aber nur beim Kopfrechnen – also der kognitiven Aufgabe. Die andere Aufgabe bestand darin, zwei Computertasten möglichst oft zu drücken. Bei dieser zweiten eher physisch geprägten Aufgabe, führte der höhere Anreiz tatsächlich zu besserer Leistung.