E-Sports – ein trügerischer Hype
E-Sports ist ohne Zweifel ein Profiteur der Covid-19-Krise. Die Zuschauerzahlen steigen nicht nur auf den üblichen Plattformen wie Twitch, sondern vermehrt auch auf traditionellen TV-Sendern wie ESPN.
„But esports overall was in desperate need of such a shock, too. For all the excitement around esports since 2014, most teams are struggling — trapped in a vicious cycle of underperforming revenues, too-high valuations, and losses that make it impossible to invest in growth.” – Matthew Ball.
Matthew Ball ist einer der bekanntesten Venture Capitalists im Bereich von interaktiven Medien. Ein Thema das ihn dabei schon einige Jahre begleitet: E-Sports. Doch gemessen an dem finanziellen Erfolg von E-Sports Teams, hinkt diese Branche dem eigenen Hype weit hinterher. So hat die Investmentbank Morgan Stanley im Jahre 2017 prognostiziert, dass die neue Overwatch League 2018 alleine in den USA 720 Millionen US-Dollar an Umsatz generieren wird. Schlussendlich waren es 775 Millionen US-Dollar weltweit und weniger als 200 Millionen US-Dollar in den USA.
Solche Fehlprognosen sind keine Seltenheit und die meisten E-Sports Teams haben enorme Schwierigkeiten sich über Wasser zu halten. Von finanziellem Erfolg ganz zu schweigen.
Das Problem ist laut Matthew Ball tief im System verankert.
An der Spitze jedes Spielsystems sitzen die Videospiel-Publisher wie Activision Blizzard und Co. Sie regieren als Alleinherrscher über alles, was mit ihrem Spiel passiert. Sie entscheiden, wer das Recht hat, das Spiel zu übertragen. Sie entscheiden, wie sich das Spiel entwickelt.
Schlussendlich haben sie also die volle Kontrolle über die jeweiligen Ligen. Selbst scheinbar unabhängige Ligen sind damit niemals unabhängig – sobald der Publisher ihnen die Lizenz entzieht, können sie zusperren.
Allerdings ist das nicht zwingend schlecht. Schlussendlich haben die Publisher Interesse daran, dass ihr Spiel populär wird, es also Ligen und Teams mit vielen Fans und Zuschauern gibt – denn diese Fans werden dann auch das Spiel kaufen. Die Interessen von E-Sports Teams und den Spiele-Publishern gehen also in dieselbe Richtung.
Dennoch gibt es Interessenskonflikt und die führen zu Problemen. Für die Publisher ist E-Sports ein reines Marketingtool und noch dazu ein nicht sonderlich relevantes. Damit unterscheidet sich das ganz entscheidend von normalen Sportligen. Die NBA oder Bundesliga sind vorerst nicht daran interessiert, dass mehr Leute Basketball oder Fußball spielen, sondern, dass mehr Leute die Spiele ansehen. Auch geht es Ihnen nicht nur darum, wie viele Leute zuschauen – der Preis, den sie zahlen spielt eine ebenso wichtige Rolle. Wenn also ein TV-Sender doppelt so hohe Gebühren zahlt, dafür aber weniger Zuschauer hat, wird das den Ligen reichlich egal sein und sie werden meist dem Höchstbietenden den Zuschlag geben.
Das Problem von E-Sports ist also: der Chef der Liga hat kein Interesse an der Liga per se. Er hat Interesse an der Liga als Marketingtool. Schlussendlich sollen einfach mehr Spieler das Spiel spielen.
Dazu kommt, dass die meisten Fußballspieler auch Fußballfans sind. Die meisten Videospieler sind aber keine E-Sports Fans. Deshalb ist das Marketingtool des E-Sports für Publisher heute noch nicht wirklich entscheidend.
Eine Folge davon ist, dass Spiele vor allem entwickelt werden, damit sie dem 0815-Spieler Spaß machen. Deshalb gibt es auch immer wieder recht große Änderungen und Updates – so bleibt das Spiel für normale Spieler interessant. Doch für Profis ist genau das ein Problem. Profis bemerken selbst kleinste Änderungen in der Spieldynamik. Fußballer können ihr ganzes Leben nach den gleichen Regeln spielen und dafür trainieren. Videospieler müssen sich immer wieder anpassen und das bedeutet einen enormen Aufwand. Auch sind nicht alle spielenswerten Spiele sehenswerte Spiele. Das Spiel wird also nicht für Zuschauer optimiert, sondern für Spieler.
Leicht übertreibend würde das bedeuten: Fußballspieler laufen nicht mehr, weil sie das anstrengend finden. Sie schießen nur mehr Bälle hin und her, denn das macht am meisten Spaß. Für Zuschauer wäre das ein ziemliches Trauerspiel.
Zu guter Letzt geht Matthew Ball auf die monetäre Komponente ein. Auch hier spielen Publisher ihre Macht voll aus. Sie nehmen oft sehr hohe Lizenzgebühren von unabhängigen Ligen und bei eigenen Ligen behalten sie bis zu 50% des Umsatzes. Anders als die Bundesliga, die TV-Einnahmen generiert und sie dann auf die Klubs verteilt, behält der Chef der Liga selbst 50% der Einnahmen.
Bei Activision Blizzard ist es beispielsweise so, dass der Publisher seine E-Sports Kosten vom Umsatz der Teams abzieht. Dabei kann Activision Blizzard beispielsweise auf eigene Faust entscheiden, ein paar Millionen in E-Sports Marketing zu investieren – diese Millionen fehlen schlussendlich den Teams.
Um noch einmal auf das Thema der TV-Lizenzen zurückzukommen: Wie beschrieben hat die Bundesliga vor allem auch daran Interesse, hohe Lizenzeinnahmen von Sendern zu generieren. Dieses Interesse haben auch E-Sports Teams. Wenn sie also von einer kleinen Plattform 100 Millionen für Übertragungsrechte bekommen, ist das aus ihrer Sicht attraktiver als 50 Millionen von Twitch und You-Tube. Für den Publisher gestaltet sich das ganz anders. Die 50 Millionen fallen bei den großen Spielekonzernen nicht ins Gewicht, viel wichtiger ist ihnen, dass möglichst viele Menschen das Spiel sehen.
Für E-Sports Teams sieht Matthew Ball vor allem einen Ausweg: E-Sports als Marketingkanal benutzen und rundherum ein unabhängiges Geschäft aufbauen. So generiert das bekannte 100 Thieves Team die meisten Umsätze nicht durch professionelle Spiele, sondern durch Merchandise und andere Mediaaktivitäten.
Teams müssen sich also von der Abhängigkeit der Publisher befreien, denn als Diener eines Alleinherrschers wird der finanzielle Erfolg meist ausbleiben.
Zum Weiterlesen:
https://www.matthewball.vc/all/esportsrisks