noah leidinger

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Die längste Wirtschaftsexpansion & ihre Geschichten

Lange hat sie angehalten – länger als sie jemals zuvor zwischen den Jahren 1854 und 2020 angehalten hat. Bis in den März 2020 hat sie angehalten, aber schon im Juli letzten Jahres war die wirtschaftliche Expansion, die 2009 begann, die längste die sich in unseren Geschichtsbüchern finden lässt.[i]

Anzumerken ist, dass die US-Expansion von 2009-2020 zwar die bisher längste aber auch die bisher langsamste ist, es gab also durchaus kürzere Expansionsphasen in denen die Wirtschaft insgesamt stärker gewachsen ist.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was der Motor dieser außerordentlich ausdauernden Expansion der US-amerikanischen Wirtschaft war. Der Nobelpreisträger Robert J. Shiller beantwortet diese Frage in seinem kürzlich erschienenen Paper „Popular economic narratives advancing the longest U.S. economic expansion 2009-2019“.

Allerdings beantwortet er diese Frage nicht so, wie man es erwarten würde. Er spricht nicht über Produktivität, Innovation oder Schulden – er spricht überhaupt keine ökonomischen Fakten an. Robert J. Shiller erklärt in seinem Paper welche wirtschaftlichen Narrative diesen Aufschwung angetrieben haben.[ii]

Ein wichtiges Narrativ ist jenes der „Great Depression“, also die Erinnerung an die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre und die Angst, dass man so eine Krise wieder erleben könnte. Wie soll aber das Narrativ, einer möglichen wirtschaftlichen Katastrophe eine Expansion antreiben?

Dieses Narrativ begann um 2007, als es die ersten bank-runs in Großbritannien und den USA gab, an Popularität zu gewinnen. Circa im Jahre 2009, also beim Höhepunkt der Wirtschaftskrise, erreichte das Narrativ sein Popularitätsmaximum.

Seither hat sich dieses Narrativ aber immer mehr aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein verabschiedet und die Abnahme dieses negativen ökonomischen Narratives hat die Wirtschaft angetrieben.

Ein ähnliches Bild bieten zwei weitere sehr potente Geschichten, die die Wirtschaft der letzten Jahre laut Shiller entscheidend geprägt haben. Das Narrativ der Housing Bubble (Immobilienblase) und das Narrativ, mehr zu sparen („Save more“). Wenn Menschen eine Immobilienblase erwarten, werden sie zum einen vor dem Kauf und Bau von Immobilien zurückschrecken und zum anderen den Konsum herunterschrauben, um sich ein Polster für das Platzen der Blase aufzubauen. Wenn Menschen mehr sparen, konsumieren sie ohnehin weniger.

Diese beiden Themen gewannen ebenfalls um 2007 an starker Popularität und blieben bis circa 2015 auch stark im gesellschaftlichen Bewusstsein. Danach verschwanden diese Narrative aber immer mehr und trieben damit die Expansion ebenfalls an.

Zu guter Letzt gibt es noch das Narrativ der „Strong Economy“ also der starken Wirtschaft. Dieses Narrativ begann 2018-2019 besonders an Popularität zu gewinnen und erreichte in dieser Zeit auch seinen Höhepunkt. Getrieben wurde diese Tendenz unter anderem durch Donald Trump, der mit Aussagen wie „Make America Great Again“ stets die Stärke der USA und der US-amerikanischen Wirtschaft betont hat. Dabei ist bemerkenswert, dass 62% der Artikel die 2017-2019 den Begriff „strong economy“ enthielten auch Trump erwähnten. Als Vergleich: auch gegen Ende der 1990er Jahre war dieses Narrativ recht stark, der damalige Präsident Bill Clinton wurde in entsprechenden Artikeln aber nur in 27% der Fälle erwähnt.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://www.cnbc.com/2019/07/02/this-is-now-the-longest-us-economic-expansion-in-history.html

https://www.nber.org/papers/w26857

https://www.bloomberg.com/news/audio/2019-10-05/robert-shiller-discusses-narrative-economics-podcast

[i] Alle Daten und Aussagen beziehen sich auf die Wirtschaft der USA, was im Großen und Ganzen aber stark mit der Weltwirtschaft korreliert.

[ii] Robert J. Shiller arbeitet zum Finden und Analysieren dieser Narrative mit großen Nachrichtendatenbanken. Für dieses Paper verwendete er die „Proquest News & Newspapers“-Datenbank mit 97 Millionen Artikeln aus den Jahren 1989 bis 2020. Vereinfacht gesagt analysiert er, wie oft gewisse Wörter oder Begriffe in den Artikeln der jeweiligen Jahre vorkommen und kann so den historischen Popularitätsverlauf der jeweiligen Narrative ermitteln.