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Bargeldabschaffung & volle Privatsphäre

Kaum ein anderes Thema schafft es so viele Verschwörungstheoretiker anzuziehen wie die Abschaffung des Bargeldes. Die einen verkaufen es als eine Vernichtung der Finanzkriminalität und Geldwäsche, die anderen lehnen es ab, weil es die totale Staatskontrolle erlaubt und dem Menschen die letzte Freiheit raubt.

Dass sich die Diskussion rund um die Abschaffung des Bargeldes im Großen und Ganzen um dieses Thema bewegt zeigt einiges über die Art in der wir denken. Wir denken in gewohnten Konzepten.

Denn die Abschaffung des Bargeldes muss gar nichts mit einer Veränderung in der Privatsphärestruktur des Finanzsystems zu tun haben. Dann nämlich nicht, wenn das Bargeld durch eine digitale Währung ersetzt wird.

Und bevor die nächste Schwarz-Weiß-Debatte rund um Kryptowährungen ausbricht – nein, digitale Währung und Kryptowährung sind nicht dasselbe. Beispielsweise setzt sich die Bank of England schon seit einiger Zeit mit einer digitalen Zentralbankwährung auseinander – die eine Digitalisierung der Geldscheine und Münzen bedeuten würde, aber nicht unbedingt etwas mit dezentralisierten Ledger-Systeme zu tun haben muss.

Den aktuellen Stand dieser Arbeit und Überlegungen kann man in dem sehr spannenden Paper der Bank of England mit dem Titel „Central Bank Digital Currency. Opportunities, challenges and design.“ nachlesen, welches im März diesen Jahres erschienen ist.

Zuerst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass Stand heute natürliche und juristische Personen, die keine Banken sind, Geld von der Zentralbank nur in Form von Bargeld besitzen können. Nur Banken und manche andere Finanzinstitute können digitales Geld in Form von Reserven bei der Zentralbank besitzen.

Das Geld auf dem eigenen Girokonto oder Sparbuch, also all das Geld, auf das wir digital zugreifen, ist im Grunde Geld, dass von den Banken selbst erschaffen wird und steht nicht in direkter Verbindung zur Zentralbank. Hierbei handelt es sich auch um das Geld, das bei einem Bank-Run Probleme macht, oder dass die Sparer gefährdet, wenn ihre Bank insolvent geht. Denn dieses Geld ist im Grunde nichts anderes als Schulden der Bank, bei der man sein Konto hat und ist so mit einem Kreditrisiko verbunden.

Anders ist das eben nur bei Bargeld oder bei Zentralbankreserven – dieses Geld wird von der Zentralbank ausgegeben und ist im Grunde risikofrei (insofern wir in Europa oder Amerika sind und eine Insolvenz des Staates ausschließen).

Bei der Idee einer digitalen Zentralbankwährung geht es nun darum, dass auch Privatpersonen und Unternehmen eine digitale Form des Geldes direkt von der Zentralbank bekommen. Also eine digitalisierte Form des Bargeldes.

Und das hat per se nichts mit Kryptowährungen wie Bitcoin zu tun. Diese Währung würde natürlich von der Zentralbank kontrolliert werden und auch nur sie hätte die Möglichkeit, neues Geld zu erschaffen. Gleichzeitig sind manche hilfreiche Attribute von Kryptowährungen in Sachen Sicherheit oder technischer Möglichkeiten durchaus als Bestandteile einer digitalen Zentralbankwährung denkbar – das sind aber eben nur Bestandteile und keine klassischen Kryptowährungen.

Und nun kommt die große Debatte der Privatsphäre. Die Bank of England beispielsweise stellt sich ein System vor, bei dem sie selbst nur das grundlegende Zahlungsverzeichnis managet, die Bürger aber über Drittparteien auf dieses Verzeichnis zurückgreifen. Die Zentralbank bietet also nur die Plattform auf deren Basis verschiedenste Unternehmen Lösungen für Kunden bauen können.

Auf Basis dieser Plattformidee zieht die Bank of England sogar in Betracht, dass sie selbst gar keinen direkten Kontakt zu den Bürgern und Inhabern der Währung hat. Allerdings verlangt sie aus Gründen der Geldwäsche und Kriminalität, dass zumindest die lizensierten Unternehmen, die auf der Plattform aufbauen und den direkten Kundenkontakt haben, die Identität der Kunden kennen.

Doch genau an dieser Stelle ist der springende Punkt. Denn den Zentralbanken wird das vielleicht nicht die liebste Variante sein, natürlich ist es aber möglich, dass man sich an diesem Punkt auch für die volle Anonymität entscheidet. Es kann also jeder auf der Straße einen Geldschein aufheben, ihn sich einstecken und damit zahlen, ohne sich irgendwo registrieren zu müssen. Und wenn uns diese Eigenschaft von Bargeld so wichtig ist, spricht ja nichts dagegen, das auch bei der digitalen Zentralbankwährung zu etablieren. Indem man sich eben nicht identifizieren muss wenn man einen Account bei einem der lizensierten Währungsplattformpartner eröffnet. Man kann also völlig anonym einen Account erstellen und dann auf diesem Account Geld ausgeben, verdienen et cetera.

Diese Variante öffnet natürlich den Weg für Kriminalität, doch das Problem haben wir beim Bargeld auch. Das Bargeld also nicht abzuschaffen, weil die Privatsphäre damit gefährdet wird, ist kein valides Argument. Man kann Bargeld abschaffen und gleichzeitig eine digitale Währung mit sehr ähnlichen Privatsphäre-Eigenschaften etablieren.

Nur zwischen können und wollen ist bei den Zentralbanken ein Unterschied und zwischen können und wissen, dass man es kann, ist bei der Bevölkerung ein Unterschied.

Zum Weiterlesen:

https://www.bankofengland.co.uk/-/media/boe/files/paper/2020/central-bank-digital-currency-opportunities-challenges-and-design.pdf