text

Kosmische Bescheidenheit

Abraham Loeb, Astrophysikprofessor der Harvard University, wird „dafür bezahlt, über den Himmel nachzudenken“ – so die Kurzbeschreibung seiner Tätigkeit in einem kürzlich erschienen Interview mit der Schriftstellerin Sibylle Berg.

Über die 100-400 Milliarden Sterne in der Milchstraße oder gleich die 100-200 Milliarden Galaxien im Universum nachzudenken muss einen auf lange Sicht wohl bescheiden machen, bescheiden in dem Sinn, dass die Erde weder sonderlich wichtig noch sonderlich einzigartig ist.

Tatsächlich rechnen Astronomen damit, dass es mehr Planeten gibt, auf denen biologisches Leben wie auf der Erde existieren kann, als es Sandkörner an allen Stränden dieser Welt gibt. Die wichtigste Bedingung dafür: vor allem einmal flüssiges Wasser, wozu der richtige Abstand zum jeweiligen Stern sowie eine Atmosphäre essentiell sind.

Dennoch wird sehr wenig in das Auffinden von intelligenten Lebewesen auf anderen Planeten investiert. Und das obwohl schon alleine die große Zahl an Planeten mit solchen Möglichkeiten rein wahrscheinlichkeitstechnisch darauf hinweist, dass wir nicht die einzigen intelligenten Lebensformen sind.

Natürlich gibt es auch größere Probleme auf der Welt als die Entdeckung von Außerirdischen. Aber.

„I think it's important to have a future that is inspiring and appealing.” – Elon Musk in einem TED-Interview aus dem Jahr 2017.

Ein entscheidendes Problem das uns alle betrifft ist die Führung eines interessanten und positiven Lebens. Ein entscheidendes Problem ist auch, wie man Länder mit teilweise sehr verschiedenen Interessen in manchen Bereichen zur Zusammenarbeit bringen kann.

Zur Lösung all dieser Probleme können große gemeinsame Ziele, wie die Entdeckung von Intelligenz abseits unseres Planeten, entscheidend beitragen. Darüber hinaus sind die positiven Effekte im Fall einer solchen Entdeckung enorm, reichend von hilfreichen Technologien, die andere schon lange gefunden haben bis hin zum Umzug auf andere Planeten, die länger existieren können als die Erde (wobei für letzteres ersteres nötig wäre, da wir noch keine Transportlösung für so einen Umzug besitzen).

Doch obwohl dieses Thema die meisten Menschen interessiert und Kinderaugen vor Faszination strahlen lässt, bleibt es eine Randerscheinung und ist nichts mit dem sich „ernsthafte“ Wissenschaftler beschäftigen. Und genau hier kommt der Punkt der Bescheidenheit ins Spiel.

Dieses Thema ist deshalb so eine Randerscheinung, weil wir Menschen uns das alles sehr schwer vorstellen können. Wenn dann noch das Gefühl der eigenen Einzigartigkeit dazukommt, scheint außerirdisches Leben enorm unrealistisch, obwohl uns die Wahrscheinlichkeitsrechnung etwas anderes erzählt.

Ähnlich wie dem Theodizee-Problem liegt also auch diesem Thema eine erstaunliche Überschätzung der eigenen Intelligenz zu Grunde. Nur weil man sich etwas schwer vorstellen oder nicht erklären kann, glaubt man, dass es nicht vorstellbar oder erklärbar ist.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1706/1706.05959.pdf

Berg, Sibylle: Nerds retten die Welt. Gespräche mit denen, die es wissen. Köln: 2020.

https://www.youtube.com/watch?v=PeHdqpTr170