Schule und selbstsichere Lösungsfindung
Die Konformitäts-Experimente des Psychologen Solomon Asch in den 1950er Jahren beschäftigen uns bis heute. Wieso übernehmen ¾ aller Testpersonen eine offensichtlicherweise falsche Lösung für ein Problem? Wieso übernehmen 1/3 aller Testpersonen diese falschen Lösungen sogar in mehr als 50% der Versuche?[i]
Dem Großteil der Menschen fällt es schwer, eine Lösung für ein Problem zu finden und diese selbstsicher zu vertreten. Ein wichtiger Grund dafür liegt im Schulsystem, was zwei Gründe hat.
Zum Ersten zahlt es sich in der Schule generell nicht aus, eine Lösung für ein Problem selbstständig zu finden und selbstsicher zu vertreten. Denn eine falsche Lösung kann benotet werden, wenn man einfach nichts sagt, riskiert man hingegen keine negative Beurteilung.
Zum Zweiten, und das ist der entscheidende Faktor, muss man in der Schule auf Basis eigener Lösungen für neue Probleme keine Entscheidungen mit „skin in the game“ treffen. In den schulisch wichtigen Situationen, also den Prüfungen, ist man ohnehin mit Problemen konfrontiert, die man schon kennt und für die man das richtige Lösungsmodell schon präsentiert bekommen hat.
Äußert man sich zu einem neuen Problem im Unterricht, sind die Konsequenzen einer Falschaussage nicht so dramatisch wie bei einer Prüfung. Die eigene Aussage hat also auch für die Mutigen, die den ersten Faktor überwinden, keine drastischen Konsequenzen. Außerdem hat man einen sofortigen Feedback-Mechanismus. Der Lehrer wird einem sofort sagen, ob die eigene Lösung richtig oder falsch ist.
Aus diesem Grund haben die Schüler niemals den Anreiz, Selbstreflexionsmechanismen zu entwickeln. Sie haben nie das Bedürfnis, Mechanismen zu entwerfen, mit denen sie ihre eigenen Lösungen testen können. Genau solche Mechanismen würden aber die nötige Selbstsicherheit geben. Genau solche Mechanismen braucht man später in realen Entscheidungssituationen, wenn die klare Unterscheidung in richtig und falsch nicht mehr existiert und keiner ein Lösungsheft parat hat.
[i] Es gab mehrere Durchgänge. ¾ aller Teilnehmer machten zumindest in einem der Durchgänge eine Aussage aufgrund von Konformitätsanreizen. 1/3 aller Teilnehmer machte solche Aussagen in mehr als 50% der Durchgänge.