noah leidinger

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Überwachungs-Apatheia

Eine der herausragenden Erkenntnisse aus der Affäre rund um den Whistleblower Edward Snowden ist das erstaunliche Desinteresse der gemeinen Bevölkerung. Überwachung, Privatsphäre, Sicherheit – alles Themen, die uns tagtäglich betreffen, uns aber großteils ziemlich unberührt lassen.

Auf dieses Thema reagieren die meisten Menschen mit einer von zwei Einstellungen. Die einen meinen, man brauche keine Angst haben, wenn man nichts zu verbergen hat. Die Gegenposition spricht von einem Überwachungsstaat, gegen den man sich aber ohnehin nicht mehr wehren kann.

Obwohl diese beiden Positionen recht gegensätzlich sind, haben diverse Studien und Befragungen zu dieser Thematik gezeigt, dass viele Menschen je nach Fragestellung mit beiden Seiten sympathisieren. Diese Studien haben auch gezeigt, dass unabhängig von der konkreten Position meist eine sehr hohe Distanziertheit besteht. Vielen ist also bewusst, dass es hier ein Problem oder eine mögliche Gefahr gibt – die wenigsten machen sich aber ernsthafte Gedanken oder handeln, um sich zu schützen.

Das ist durchaus erstaunlich, bei einem Thema des jeden und jede persönlich betrifft. Doch es gibt eine sehr einleuchtende psychologische Erklärung für dieses Phänomen, wie der englische Wissenschaftler Darren Ellis in seinem Paper „Techno-Securitisation of everyday life and cultures of Surveillance-Apatheia.” darlegt.

Zum einen gibt es bei vielen eine gewisse Kostenabwägung. In Anbetracht einer Politik und Medienlandschaft die stetig vor Terrorismus und Co. warnt, sehen viele Bürger in der Überwachung einen notwendigen Schritt. Die Überwachung wird also nicht unbedingt positiv gesehen, da sie hilft, die eigenen Ängste zu bekämpfen, wird sie aber auch nicht weiter hinterfragt.

Dazu kommen ein gewisses Unverständnis gegenüber den komplexen Technologiesystemen und eine Normalisierung der Methoden. Das führt dazu, dass Überwachung und Privatsphärerisiken zwar ein tägliches Thema sind, wir uns aber nicht täglich damit beschäftigen müssen.

Natürlich spielt auch die kognitive Dissonanz eine Rolle. Wenn also der Wunsch, die neusten Online-Services zu nutzen mit einem Wissen über die möglichen Privatsphäregefahren kollidiert, muss das im eigenen Gehirn irgendwie verarbeitet werden. In den meisten Fällen wird es dadurch verarbeitet, die Risiken einfach auszublenden.

„It may therefore be better to manage the affects through habitual forms of suppression strategies: an attitude of surveillance-apatheia.” – Darren Ellis in seinem Paper „Techno-Securitisation of everyday life and cultures of Surveillance-Apatheia.”

Ausblenden ist auch schon das entscheidende Stichwort, denn hier kommt die Theorie der Überwachungs-Apatheia von Darren Ellis ins Spiel. Apatheia ist ein Begriff der Stoiker und beschreibt das Bestreben, die emotionale Reaktion in Bezug auf Phänomen zu reduzieren, die man ohnehin nicht beeinflussen kann. Anders als bei der Apathie hat man also eine emotionale Reaktion, unterdrückt diese aber ganz einfach, um sich nicht mit der komplexen Thematik der Überwachung auseinandersetzen zu müssen.

Zum Weiterlesen:

https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09505431.2018.1561660