noah leidinger

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Unnötiges Wissen als Kapazitätsreserve

„We must also remember that a reserve of knowledge is always an advantage, and that the most practical of mathematicians may be seriously handicapped if his knowledge is the bare minimum which is essential to him; and for this reason we must add a little under every heading.” – der britische Mathematiker Godfrey Harold Hardy in seinem geistreichen Essay “A Mathematician’s Apology”.

Es gibt viele Arten von Wissen, die als unnötig betrachtet werden. Genaue Jahreszahlen könne man im Internet suchen, viele mathematische Theoreme hätten keine praktische Relevanz und ein genaues Wissen über die chemischen Reaktionen, die im menschlichen Körper stattfinden, seien mehr als überflüssig.

Ohne auf diese Diskussion im vollen Umfang einzugehen, was zumindest einen Essay wie den von G. H. Hardy beanspruchen würde, werde ich in diesem kurzen Artikel nur einen Blickwinkel auf dieses Wissen werfen, das oft als unnötig erachtet wird.

Wenn auf einen Wissensschatz länger nicht zurückgegriffen wird, so wird das Wissen langsam aber sicher verblassen. Wenn dieser Wissensschatz von vornherein nur grobe Zusammenhänge, Übersichten und das praktisch nützliche Wissen enthalten hat, werden genau diese Dinge verblassen.

Wenn der Ausgangspunkt aber ein breiterer und tiefgründigerer Wissensfundus war, werden vor allem die Details verblassen, die groben Zusammenhänge hingegen, wird man viel länger und besser in Erinnerung behalten.

Darüber hinaus, kann sich das Anwendungsfeld auf dem man mit seinem Wissen aktiv ist, mit der Zeit ändern. Wer also zu Beginn pragmatischerweise nur so viel Wissen erlangt hat, um in seinem Anwendungsfeld gut zu bestehen, wird sich bei jeder Ausweitung des Anwendungsfeldes, jeder Veränderung, mit einem unlösbaren Problem konfrontiert sehen. Wer hingegen von vornherein eine gewisse Reserve hatte, mag nun in der Lage sein, genau diese scheinbar unnütze Reserve zu nützen.

Viel Wissen, das auf den ersten Blick unnötig scheint, kann also als Kapazitätsreserve fungieren. Als Kapazitätsreserve, die Verluste abfängt, bevor es an die Substanz geht und als Kapazitätsreserve, die Mehrbedarf decken kann, wenn die Substanz nicht mehr ausreicht.

Zum Weiterlesen:

Hardy, Godfrey: A Mathematician’s Apology. Cambridge: 1940.