Mut zum Ungefähr
“The problem lies in the structure of our minds: we don’t learn rules, just facts, and only facts. Metarules (such as the rule that we have a tendency to not learn rules) we don’t seem to be good at getting. We scorn the abstract; we scorn it with passion.” – Nassim Taleb in seinem Bestseller “The Black Swan. The impact of the highly improbable”.
Doch das Problem, dass wir nur die Fakten oder im besten Fall spezifische Regeln und Gesetze lernen, ist nicht nur auf die Struktur unseres Denkapparats zurückzuführen. Abstrakt denken ist immer unangenehmer und anstrengender, als spezifische Regeln zu lernen oder ganz klare Fakten. Unsere natürliche Tendenz der Faulheit führt uns dazu, dass wir uns tendenziell eher keine Gedanken um Metaregeln oder abstrakte Zusammenhänge machen. Auch evolutionär war es nie wichtig, die großen Zusammenhänge zu verstehen, wenn ein Raubtier kommt dann läuft man weg und wenn man Hunger hat jagt man – mit sehr spezifischen Regeln konnte man immer gut überleben.
“Understand the concept of “by-and-large” and use approximations. Because our educational system is hung up on precision, the art of being good at approximations is insufficiently valued. This impedes conceptual thinking.“ – Ray Dalio in seinem Buch „Principles“.
Neben unserer natürlichen Tendenz keine abstrakten Zusammenhänge zu lernen bzw. in groben und allgemeinen Konzepten zu denken und zu handeln, verlernen wir diese Fähigkeit zum Abstrakten, zum Ungefähren auch in der Schule, wie es Ray Dalio treffend analysiert.
Wenn man die Aufgabe bekommt, 1999 mit 4997 zu multiplizieren ist die richtige Antwort 9,989,003 und nicht 10,000,000. Dabei ist es in der Praxis oft viel besser, Probleme so zu reduzieren, dass man sie schnell und pragmatisch lösen kann, anstatt alles genau zu berechnen.
In den meisten Fällen muss man für gute Entscheidungen die Metaebene, also die großen Zusammenhänge verstehen und diese dann ungefähr auf die aktuelle Situation übertragen. Man kann dabei auch mit Regeln oder Vereinfachungen arbeiten, die zwar nicht in 100% der Fälle ganz richtig sind, aber oft genug, um im Großen und Ganzen das gewünschte Resultat zu erreichen.
Zur Illustration kann man zwei Entscheidungsmechanismen heranziehen. Der erste liefert in 100% der Fälle das gewünschte Ergebnis. Es handelt sich um eine ganz klare und spezifische Regel, die immer funktioniert, dafür aber mit erheblichem Zeitaufwand verbunden ist. Der zweite Mechanismus liefert nur in 80% der Fälle das gewünschte Ergebnis, ist aber dreimal schneller als der erste.
In vielen Fällen ist der zweite Mechanismus dem ersten vorzuziehen, da die 20 prozentige Fehlerquote durch die Zeitersparnis mehr als ausgeglichen wird.
Also Mut zum Denken in Metaregeln und großen Zusammenhängen sowie dem Arbeiten mit ungefähren Annäherungen, die zwar nicht perfekt, dafür aber umso effektiver und effizienter sind.
Zum Weiterlesen:
Taleb, Nassim Nicholas: The Black Swan. The Impact of the Highly Improbable. London: 2008. [i]
Dalio, Ray: Principles. New York: 2017.
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