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Fiktive Vergleiche

Die kategorische Ablehnung von Atomkraft, die Verteuflung des Kapitalismus und die Verurteilung der Filterblasen in der digitalen Medienlandschaft haben eines gemeinsam - ihnen liegt der fiktive Vergleich zu Grunde.

Der fiktive Vergleich wird vor allem von den Menschen verwendet, die sich selbst als besonders kritisch ansehen, die alles hinterfragen, also leider auch von vielen Journalisten und Meinungsmachern. Denn man fällt dem Phänomen des fiktiven Vergleiches sehr leicht zum Opfer, immer dann nämlich, wenn man sich nur auf die Probleme eines gewissen Themas fokussiert.

Viele Menschen lehnen also die Atomkraft kategorisch ab, wegen den potentiellen Risiken bei einem Unfall, dem Problem der Endlagerung und so weiter. Dass die Alternative in vielen Fällen Kohlekraftwerke sind, die in den meisten Belangen und vor allem in Bezug auf Umwelt und Gesundheit weitaus schlechter abschneiden, wird nicht beachtet. Man vergleicht die Atomkraftwerke nämlich nicht mit realen Alternativen, sondern stellt einen fiktiven Vergleich an, mit einer Option, die gar keine Konsequenzen hat und die es in der Realität nicht gibt.

Das gleiche Phänomen ist bei der Diskussion rund um das Glyphosat zu beobachten. Es werden die negativen Effekte beleuchtet, dass viele der Alternativen aber noch viel schlechter sind, wird außer Acht gelassen.

Wenn Menschen auf den Kapitalismus blicken, vergleichen sie ihn nicht mit anderen Systemen, wie dem Kommunismus oder dem Sozialismus. Sie schauen sich nur seine Probleme an und vergleichen diese mit einem fiktiven perfekten System.

Soziale Medien und Suchmaschinen stehen immer wieder in der Kritik, Filterblasen zu erzeugen. Davon abgesehen, dass die wissenschaftliche Evidenz für Filterblasen sehr mager ist, ist auch hier der fiktive Vergleich ein großes Problem. Ja, bei den sozialen Medien filtern die Algorithmen, in der analogen Welt der Printmedien filtert man aber selbst genauso und zwar, das zeigen diverse Studien, meist viel weniger divers und offen als die Algorithmen. Man darf also die digitale Medienlandschaft nicht mit einer fiktiven Medienlandschaft vergleichen, in der es keinen gefilterten Konsum gibt, sondern muss den Vergleich mit der Printmedienlandschaft anstellen, die von einem starken Eigenfilter geprägt wird.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://blog.gwup.net/2019/12/14/neu-im-nachgefragt-podcast-kernenergie-mit-florian-aigner/

https://www.youtube.com/watch?v=bTbZ2oqZ5jM

Zitelmann, Rainer: Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Eine Zeitreise durch fünf Kontinente. München: 2019.