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Wandel moralischer Standards und Kunst

“People who judge works made in the past according to present-day moral standards are like Americans who travel abroad and expect everyone they meet to understand English.” – ein Tweet von Paul Graham.

Man darf Künstler und ihre historischen Werke, die in ganz anderen Zeiten entstanden sind als den unseren, nicht mit heutigen moralischen Standards bewerten.

Stark patriarchalische, antisemitische oder xenophobische Ansichten und Äußerungen sind niemals gutzuheißen, darauf hat sich die Gesellschaft im moralischen Konsens geeinigt. Das ist in verschiedensten Verfassungen und der Menschenrechtskonvention festgehalten. Es muss aber klar sein, dass dieser Konsens früher im besten Fall eine Randmeinung war. Die Standards damals waren andere und nur weil sich ein Künstler dem damaligen moralischen Konsens anschloss, sollte man nicht sein gesamtes Werk verteufeln. Das wäre eine starke Ignoranz der soziologischen Wandlungsfähigkeit.

Dennoch haben wir uns heute auf diese Standards geeinigt und diese muss man verteidigen. An dieser Stelle ist die Analogie mit den Fremdsprachen falsch.

Was Paul Graham nämlich nicht beachtet ist, dass man solche Werke mit dem nötigen Rahmen ergänzen muss. Einem Rahmen indem der heutige Herausgeber solcher Werke ganz klar festhält, dass man diese im historischen Kontext sehen muss. Einem Rahmen in welchem dargelegt wird, welche im Werk vertretenen Ansichten damals moralischen Konsens bedeuteten und heute gefährliches Gedankengut sind.

Man kann nicht von jedem Leser, Hörer oder Zuschauer erwarten, dass er den historischen Kontext kennt. Wenn unsere moralischen Standards uns etwas wert sind, muss man diesen Kontext zur Verfügung stellen.

Durch ein gescheites Vorwort in einem Buch oder ein paar einleitende Worte vor einem Theaterstück wird das Werk des Künstlers schließlich nicht zerstört. Vielmehr kann es sogar besser aufgenommen werden, wenn man den Rahmen versteht in welchem es geschrieben wurde.

Verteufeln wir unsere Vorfahren nicht, nur weil sie keine moralischen Werte vertreten haben, die erst hunderte Jahre später zum Konsens wurden. Machen wir es aber ganz klar, dass es hier einen starken Wandel der moralischen Grundlagen gegeben hat und gewisse Ansichten den heutigen Vorstellungen von Moral und Ethik nicht mehr entsprechen.