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Der Pflug & die Geschlechterverteilung

Rein aus biologischen Gründen sind die männlichen Vertreter unserer Spezies in der Überzahl.[i] Allerdings schwankt die Geschlechterverteilung von Land zu Land enorm, sodass einige Länder – vor allem in Südostasien – einen übernatürlichen Männerüberschuss aufweisen.[ii]

Grund dafür: Selbst im Jahre 2020 sehen viele Eltern Töchter als eine Belastung an.[iii]

Die wohl tragischste Ursache der ungleichen Geschlechterverteilung ist die selektive Abtreibung oder Ermordung der eigenen weiblichen Nachkommen. Oft sind die Mechanismen aber viel subtiler. Mädchen bekommen weniger zu essen und werden im Krankheitsfall schlechter gepflegt als ihre männlichen Geschwister. Das führt dazu, dass in bestimmten Ländern mehr Mädchen als Buben sterben, was die ungleiche Geschlechterverteilung abermals antreibt.[iv]

Die Entwicklung einer tochterfeindlichen Kultur hängt mit vielen historischen Faktoren zusammen. Ein solcher Faktor sind die landwirtschaftlichen Praktiken der Vorfahren.

Wie Nathan Nunn und Kollegen in ihrem Paper „Traditional agricultural practices and the sex ratio today” zeigen, gibt es einen starken Zusammenhang zwischen einer ungleichen Geschlechterverteilung und der Nutzung des Pfluges in landwirtschaftlichen Prozessen.

Das Betreiben eines Pfluges erfordert viel Kraft im Oberkörper und den Händen. Damit führte die Einführung des Pfluges zu einer starken Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, wobei Männer vermehrt die Arbeit am Feld und Frauen vermehrt die Hausarbeit übernahmen.

In Ländern, wo der Pflug nicht verwendet wurde, fand die meiste Feldarbeit mit Hacke und Grabstock statt. Während auch diese Feldarbeit enorm hart ist, erfordert sie kein so hohes Maß an muskulärer Kraft, weshalb mehr Frauen auf den Feldern arbeiteten.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind erstaunlich. In Länder, in welchen traditionell mit dem Pflug gearbeitet wurde, ist die Geschlechterverteilung signifikant ungleicher als in Ländern, die in früheren Zeiten den Pflug nicht benutzt haben.[v]

Besonders drastisch wird der Unterschied mit zunehmendem Alter der Bevölkerung. Während sich die Verteilung bei der Geburt nur geringfügig unterscheidet, ist der Unterschied in der Altersgruppe 5-14 besonders drastisch ausgeprägt.[vi]

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://ourworldindata.org/gender-ratio

https://scholar.harvard.edu/files/nunn/files/alesina_giuliano_nunn_plos_2018.pdf

https://medium.com/conversations-with-tyler/nathan-nunn-tyler-cowen-economics-africa-a82378ac41ff

[i] Die WHO geht laut “Our World in Data” davon aus, dass ein Verhältnis von 105 Männern zu 100 Frauen circa dem natürlichen Wert entspricht.

[ii] Das betrifft nicht nur China (Ein-Kind-Politik), sondern auch diverse andere Länder wie bspw. Indien.

[iii] Beispielsweise, weil man den Eltern des zukünftigen Ehemannes Geld bei der Hochzeit zahlen muss oder weil Vorurteile verhindern, dass Töchter einen lukrativen Beruf erlernen.

[iv] Dazu kommt: Familien, die viele Töchter aber keinen Sohn haben, werden versuchen mehr Kinder zu bekommen, um zumindest einen männlichen Nachfahren zu haben. Mehr Kinder bedeuten weniger Ressourcen für jedes Kind, was abermals zu höheren Sterberaten führt.

[v] Die Wissenschaftler haben 146 Länder analysiert. In 79 Ländern war der Pflug ein traditionell häufig verwendetes Werkzeug, in den restlichen 67 Ländern war der Pflug eine Seltenheit. Die Daten zur Geschlechterverteilung beziehen sich auf den Zeitraum von 1960-2000, wobei es sich jeweils um Durchschnittswerte handelt.

[vi] Was auf die angesprochenen subtilen Mechanismen zurückzuführen ist.