noah leidinger

View Original

Böse Wohltäter & Gutmütige Tyrannen

In den 1980er Jahren galt Robert Mugabe, ehemaliger Präsident von Zimbabwe, als einer der kompetentesten Politiker Afrikas. In dieser Zeit wurde er unter anderem für den Friedensnobelpreis nominiert und erhielt 1994 die Ritterwürde von der englischen Queen. Doch im Zuge der 2000er Jahre wurde Mugabe immer mehr zu einem Tyrannen, die Ritterwürde wurde ihm entzogen und 2017 wurde er von Mitgliedern seiner eigenen Partei gestürzt.

Eine genau gegensätzliche Entwicklung machte Kenneth Kaunda durch, der 1964 die Macht in Sambia ergriff. Er galt von Anfang an als repressiver Autokrat und hat 1976 die alleinige Macht ergriffen. Doch in den 1980er Jahren änderte er seine Linie, ließ wieder Oppositionsparteien zu und übergab 1991 in vollkommen friedlicher Manier die Macht an seinen demokratisch gewählten Opponenten.

Die beiden genannten Beispiele sind nur einige von vielen Machthabern, die ähnliche Entwicklungen durchmachten. Die einen beginnen vielversprechend und entwickeln sich mit der Zeit zu Tyrannen, während die anderen als Tyrannen beginnen und vielversprechend abdanken. Die spieltheoretische Erklärung für diese Entwicklung hin zum bösen Wohltäter beziehungsweise dem gutmütigen Tyrannen liefern drei Wissenschaftler der Oxford University in ihrem Paper „Dictators walking the mogadishu line: How men become monsters and monsters become men.“

Diktatoren, so gutmütig sie auch sein mögen, sind in den allermeisten Fällen mehr oder weniger korrupt. Dabei bewegt sich ein Diktator immer auf einer dünnen Linie. Auf der einen Seite befindet sich das maximalen Level an Korruption, die er begehen kann, auf der anderen Seite steht eine mögliche Revolution. Natürlich kennt der Diktator dieses Level nicht. Es wird ihm immer erst dann klar, wenn er es überschritten hat und die Revolution startet.

Bei der Entwicklung hin zum bösartigen Wohltäter wird der Herrscher, wie Mugabe, oft jahrelang ohne das Wissen seiner Bevölkerung mehr oder weniger korrupt agieren können, ohne mit großem Widerstand rechnen zu müssen. Das führt dazu, dass er sich der Grenze der maximalen Korruption immer weiter annähert. Wenn er sie schließlich erreicht, und die ersten Proteste beginnen, wird er in der Regel sehr aggressiv agieren. Sollte die Revolution erfolgreich sein, würde sich sein Image eines Wohltäters sofort ändern, seine jahrelange Korruption würde ans Licht treten und er hätte mit enormen Konsequenzen zu rechnen. Also wird der eigentliche Wohltäter zum „Gefangenen seiner eigenen Vergangenheit“ und hat keine andere Wahl, als repressiv zu agieren. Je repressiver er agiert, desto mehr Bestrafung hat er bei einer erfolgreichen Revolution zu fürchten. Ein Teufelskreis setzt ein.

Bei der Entwicklung hin zum gutmütigen Tyrannen beginnen revolutionäre Bewegungen meist schon zu Beginn der Amtszeit. Diese werden anfangs zwar auch unterdrückt, aber der Diktator hat noch keine geheimen Korruptionstaten angehäuft und muss sich aus diesem Grund nicht so massiv vor der Opposition fürchten. Tatsächlich wird er durch den sofortigen Widerstand eher dazu bewegt, das Level an Korruption niedrig zu halten. Langfristig wird er damit auch die Repression reduzieren, da die Opposition immer ungefährlicher für ihn wird.

Aus diesem Modell, so vereinfacht es auch sein mag, ergeben sich zwei entscheidende Lehren für die Politik. Erstens ist in solchen Fällen Transparenz wohl tatsächlich ein probates Mittel, denn während der positive Effekt von Transparenz oft überschätzt wird, spielt er hier eine entscheidende Rolle. Durch Transparenz wird verhindert, dass ein gutmütiger Politiker zu viele geheime Korruptionsskandale ansammelt und so zum „Gefangenen seiner Vergangenheit“ wird.

Doch noch eine zweite Lehre geht aus diesem Modell hervor. Eine Lehre, die vor allem in liberalen Demokratien einen etwas bitteren Beigeschmack hinterlässt. Es geht um das Bauen einer goldenen Brücke. Also darum, dem jeweiligen Machthaber einen Abtritt unter Gesichtswahrung und eventuell sogar mit politischem Asyl in einem anderen Land anzubieten. Das mag zwar weder sehr demokratisch noch transparent wirken, kann aber ein probates Mittel sein, um diktatorische Verzweiflungstaten zu verhindern.

Zum Weiterlesen:

https://www.schranner.com/de/news/2016/08/16/die-goldene-br%C3%BCcke

https://www.economics.ox.ac.uk/materials/papers/13330/paper701.pdf