Freud & Mesmer - Risiken des Bahnbruchs
„Newton made three bets. One of them worked. But they were all risky.” – Paul Graham in seinem Essay “The Risk of Discovery”.
Heute ist Newton für seine Errungenschaften in der Physik bekannt. Ist doch absurd, dass er sich neben der aussichtsreichen Physik auch mit Alchemie und Theologie befasst hat. Aber eigentlich ist es nicht absurd. Zu seiner Zeit war er in allen drei Gebieten ein Außenseiter, ein Querdenker und kein Konformist.
Wenn man sich in Physik und Chemie mit Atomen beschäftigt, kommt unweigerlich der Name des weisen Demokrit auf, der schon in der Antike die Wahrheit der Atomidee erkannt hat. Doch man muss hier vorsichtig sein. Seine damaligen Vermutungen zum Atommodell beruhten ausschließlich auf philosophischer Denkarbeit. Zu seiner Zeit war das Atommodell nicht die offensichtliche Wahrheit, sondern eine Idee, die mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit absoluter Schwachsinn war, wie viele der damaligen Ideen, die wir heute als solchen abtun.
Der deutsche Arzt Friedrich Anton Mesmer hat im 18. Jahrhundert in ganz Europa für Furore gesorgt. Mit seiner Idee und Behandlungsmethode des animalischen Magnetismus wurde er zum einen reich, zum anderen aber von der medizinischen Elite aus Paris und Wien verjagt. Aus heutiger Sicht wirkt diese Entscheidung der Medizinergemeinde mehr als verständlich. Jeder weiß, dass es im Körper kein Fluidum gibt, das man durch Magnetismus lenken und damit Menschen heilen kann.
Doch im 18. Jahrhundert war das nicht klar. Auch Freud wurde zu Beginn seiner Karriere von der medizinischen Elite abgestoßen. Seine Ideen waren zum damaligen Zeitpunkt nicht besser belegt als die Ideen Mesmers. Und genau wie Freud hatte auch Mesmer Erfolge bei Patienten. Doch die Ablehnung der Medizingemeinde gegenüber Freud ist aus heutiger Sicht nicht verständlich, sondern ein klarer Fehler.
Wenn wir uns mit der Geschichte befassen blicken wir auf ein stark verzerrtes Bild erfolgreicher Menschen. Dass verzerrt nicht nur unseren Blick auf die tatsächliche Geschichte, sondern auch das Bild von Forschung und Erfolg im Allgemeinen.
Bahnbrechende Ideen kommen in den meisten Fällen von außen. Bahnbrechende Ideen scheinen im Moment der Entstehung absurd. Bahnbrechende Ideen sind mit enormen Risiken für den Ideengeber verbunden.
Ex-post unterschätzen wir diese Risiken massiv und gehen darum nicht jene Wege, die uns zu ebensolchen Ideen führen könnten.
Zum Weiterlesen und Weiterhören:
http://www.paulgraham.com/disc.html
https://www.zeitsprung.fm/podcast/zs237/