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Tragödie des guten Gewissens

“The argument has here been stated in the context of the population problem, but it applies equally well to any instance in which society appeals to an individual exploiting a commons to restrain himself for the general good - by means of his conscience. To make such an appeal is to set up a selective system that works toward the elimination of conscience from the race.” – Garrett Hardin in seinem einflussreichen Essay “The Tragedy of the Commons”.

Den meisten ist der 1968 erschienene Essay von Garrett Hardin ein Begriff, zumindest das darin erstmals formulierte Prinzip der „Tragedy of the commons“ also der Tragödie des Gemeinguts.

Oft übersehen werden seine spannenden Gedanken zum guten Gewissen der Menschen, die er in diesem Zusammenhang äußert.

Ob es um die Ausbeutung natürlicher Ressourcen oder die großen Internetplattformen und ihre Netzwerke geht – es handelt sich um Tragödien des Gemeinguts.

Gerade sehr liberal denkende Menschen, die die Freiheiten der Bürger unter allen Umständen bewahren wollen, appellieren im Kontext solcher Situationen gerne darauf, dass man die Menschen nur dazu bringen muss, nach ihrem besten Wissen und Gewissen zu handeln. Anstatt etwas zu regulieren, appelliert man also an das gute Gewissen der Menschheit.

Doch genau vor diesem Appell an das gute Gewissen warnt der Mikrobiologie und Ökologe Hardin.

Man stelle sich beispielsweise vor, dass das Ziel ist, die Überbevölkerung zu verhindern. Mit diesem Ziel geht man zur Bevölkerung und appelliert an ihr gutes Gewissen. Was wird passieren? Die Menschen mit gutem Gewissen und hohen moralischen Standards werden aufhören, sich fortzupflanzen, die rücksichtsloseren Menschen werden weitermachen wie bisher. Das Resultat ist eine Gesellschaft voller moralisch rücksichtsloser Menschen, denn die anderen sterben aus.

Das Gleiche gilt für viele andere Aspekte. Wenn wir auf die Selbstregulierung auf Basis moralischer Werte hoffen, werden die Individuen am meisten profitieren und am stärksten an Macht gewinnen, welche sich nicht selbst regulieren, also die Individuen mit den niedrigsten moralischen Standards.

Das ist kein Argument dafür, dass man deshalb alle Bereiche des Lebens regulieren muss. Wenn man aber eine Diskussion rund um ein Thema mit der Charakteristik einer Tragödie des Gemeinguts beobachtet und jemand das Argument des guten Gewissens aufbringt, sollte man sehr hellhörig werden.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://science.sciencemag.org/content/sci/162/3859/1243.full.pdf

https://www.youtube.com/watch?v=C_L4h3GY07s