noah leidinger

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Ungleichheit und Demokratie - Konkavität

“[…] democracy has the best chance to emerge in societies with middle levels of inequality. Here, the citizens are not totally satisfied with the existing system, and the elites are not so averse to democracy that they resort to repression to prevent it.” – James A. Robinson und Daron Acemoglu in ihrem lesenswerten Buch “Economic origins of dictatorship and democracy”.

Grundsätzlich kann man von einem demokratischen System erwarten, dass es zu mehr Gleichheit in der Bevölkerung führt als ein autokratisches System. Denn in einer Demokratie, wie wir sie beispielsweise in den meisten europäischen Staaten haben, werden sich die politischen Maßnahmen und Entscheidungen langfristig rund um die Interessen des durchschnittlichen Wählers ansiedeln. Diese Tendenz hat Anthony Downs bereits 1957 in Form des „Medianwählertheorems“ beschrieben.

Im Vergleich dazu entscheiden in einem autokratischen System die Elite und deren Interessen über die politische Agenda.

Wenn sich ein Staat von einer Autokratie in eine Demokratie wandelt, haben die Eliten entsprechend mit Umverteilungsmaßnahmen zu rechnen. Je höher die Ungleichheit in der Gesellschaft, desto stärker werden sie unter diesen Umverteilungsmaßnahmen leiden.

Gleichzeitig ist es für den Großteil der Bevölkerung bei einer höheren Ungleichheit umso attraktiver, sich für Demokratie einzusetzen, da der potentielle Gewinn durch die Umverteilungsmaßnahmen umso höher ist.

Auf Basis dieser Logik gehen die beiden Ökonomen Daron Acemoglu und James A. Robinson in ihrem Buch „Economic origins of dictatorship and democracy“ davon aus, dass der Zusammenhang zwischen der Ungleichheit in einem Staat und der Chance eines autokratischen Staates demokratisch zu werden sich als konkave Funktion modellieren lässt.

Wenn die Ungleichheit gering ist, ist das Interesse der Bevölkerung an einer Demokratisierung nicht sonderlich hoch. Sie werden den Aufwand den der Demokratisierungsprozess, beispielsweise in Form einer Revolution, bedeuten würde, also eher nicht auf sich nehmen. Als Beispiel für so einen Fall nennen die beiden Ökonomen Singapur, das de jure zwar eine Demokratie ist, de facto aber seit 1963 von der PAP regiert und kontrolliert wird. In der bisherigen Regierungszeit der PAP ging es dem Land ökonomisch gut, die Wachstumsraten waren stark und die Ungleichheit vergleichsweise gering, entsprechend gab es keine nennenswerten Bestrebungen der Bevölkerung für eine Demokratie zu sorgen. (Natürlich spielen hier aber neben der Ungleichheit noch viele andere Faktoren eine Rolle.)

Bei einem mittleren Level an Ungleichheit hat die Bevölkerung ein großes Interesse an einer Demokratisierung. Gleichzeitig zahlt es sich für die Eliten in diesen Fällen meist nicht aus, auf Unterdrückungsmaßnahmen zurückzugreifen, da die Kosten solcher Maßnahmen potentiell noch höher sind, als die Kosten der Umverteilungsmaßnahmen in der Demokratie. Als Beispiel hierfür nennen die beiden Ökonomen die Entwicklung der Demokratie in Großbritannien.

Bei einem sehr hohen Level an Ungleichheit hingegen, ist der potentielle Schaden einer Demokratisierung für die Eliten so hoch, dass sie demokratische Bewegungen stark unterdrücken. Gleichzeitig fehlt der einfachen Bevölkerung in solchen Gesellschaften auch die ökonomische Macht, weshalb man sie leichter unterdrücken kann. Dies mag erklären, wieso es in Südafrika, einem Staat der im Zuge der Apartheid durch enorme Ungleichheit geprägt war, bis 1994 keine Demokratie gab.

Natürlich ist die Ungleichheit nicht der einzige Faktor, der über die Demokratisierung in einem Staat entscheidet. Allerdings ist dieser Zusammenhang sowohl logisch als auch empirisch sehr gut zu begründen und eine spannende Perspektive durch die man auf aktuelle und historische Demokratisierungsprozesse blicken kann.

Zum Weiterlesen:

https://www.nytimes.com/2010/02/07/business/economy/07view.html

Acemoglu, Daron u.a.: Economic origins of dictatorship and democracy. New York: 2012.