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Wählen zum Quadrat – hoch zwei

In einem vorhergehenden Artikel wurde das System des quadratischen Wählens bereits ausführlich erläutert.

Hier die Kurzfassung: Jeder Wähler bekommt ein Kontingent an Abstimmungswährung. Wenn einem ein Sachverhalt besonders am Herzen liegt, kann man mehr Abstimmungswährung verbrauchen, als wenn das Thema eher uninteressant ist. Jede Stimme, die man abgibt, kostet mehr als die vorherige, damit kann verhindert werden, dass einige wenige, denen das jeweilige Thema enorm wichtig ist, die Wahlen dominieren.

Neben dem Hauptargument für quadratisches Wählen i.e., dass man damit eine viel präzisere Wiedergabe von Wählerpräferenzen ermöglicht, erlaubt ein quadratisches Wahlsystem auch in anderen Bereichen mehr Flexibilität.

Beispielsweise ist nicht jede Wahl diskret. Es gibt also nicht nur Wahlen, bei denen man sich für eine von zwei oder mehreren Optionen entscheiden muss. Es gibt auch Wahlen, in denen über eine stetige Variable abgestimmt wird. Beispielsweise könnte ein Führungsteam in einem Unternehmen darüber abstimmen, wie viel Prozent des Investitionsbudgets in Forschung investiert werden sollen.

Ein Beispiel: Man startet mit dem Vorschlag, dass 50% des Budgets in Forschung fließen. Jedes Mitglied der Führungsetage kann nun für ein Anheben oder Absenken des Prozentsatzes abstimmen. Dabei kostet das Absenken beziehungsweise Anheben um 1% jeweils einen Stimmeneuro, bei 2% zwei Stimmeneuro und so weiter.

Ein weiteres Problem in traditionellen Wahlsystemen ist das strategische Wahlmotiv. Dazu liefert der Ethereum Gründer Vitalik Buterin ein sinnfälliges Beispiel: Bei einer Wahl treten zwei etablierte Politiker namens A und B sowie ein innovativer Politiker namens C an. Die Wähler finden alle C am besten. Circa die Hälfte der Wähler findet A besser als B und die andere Hälfte B besser als A.

Bei einer traditionellen Wahl würden die Wähler strategisch wählen. Da Kandidat C neu ist und sehr unkonventionelle Ideen vertritt, mögen ihn die Wähler zwar, denken aber alle, dass er keine Chance hat, gegen die traditionellen Kandidaten zu gewinnen. Darum wählt circa die Hälfte der Wähler A und circa die Hälfte der Wähler B.

Das führt dazu, dass der eigentlich beliebteste Politiker C gar keine Stimmen erhält. Ein Wahlsystem auf Basis einer quadratischen Stimmkostenfunktion hingegen kann man viel flexibler gestalten, beispielsweise auch mit negativen Stimmen.

Man nehme an, dass die Menschen in so einem System abermals strategisch wählen. Die erste Gruppe gibt also Kandidaten A 10 Stimmen und dem Kandidaten B -10 Stimmen. Da sie aber auch ihre Zuwendung zu C ausdrücken können, ohne dass das viele Stimmen kostet, geben sie dem Kandidaten C auch eine Stimme. Die andere Gruppe gibt dem Kandidaten B 10 Stimmen und dem Kandidaten A -10 Stimmen sowie ebenfalls dem Kandidaten C eine Stimme. A und B haben jeweils von den Wählern einer Gruppe 10 und von den anderen Wählern -10 Stimmen erhalten. Damit kommen sie auf eine Summe von 0 Stimmen. Kandidat C hat aber von Wählern aus beiden Gruppe eine Stimme erhalten und kommt so auf eine Summe von 2, hat also die Wahl gewonnen.

Wieso geben aber die Wähler ihre letzte Stimme für C nicht noch eine weitere für A oder B ab? Vorher haben sie doch auch ausschließlich strategisch gewählt?

Die Antwort liegt in der Genialität des quadratischen Wählens. Die erste Stimme für den Kandidaten C kostet nur einen Stimmeneuro, während die 11te Stimme für Kandidat A oder B 11 Stimmeneuro kosten würde. Mit dem letzten Stimmeneuro im Kontingent hat man also gar keine andere Wahl als positiv oder negativ für den Kandidaten C abzustimmen. Das Problem der strategischen Wahl wird also behoben.

Zum Weiterlesen:

https://vitalik.ca/general/2019/12/07/quadratic.html

https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2003531

https://www.noahleidinger.com/ideenraum/voting-zum-qaudrat-primer